Der Kalender pro 1804
von Christel Seidensticker

Vier Jahre nachdem Johann Heinrich Geiger den ersten Hinkenden Boten auf den Markt gebracht hatte, wäre der Kalender, und damit auch seine Druckerei, fast schon wieder zum Scheitern verurteilt gewesen.
Nicht Unvermögen oder waghalsige Experimente, sondern die politischen Verhältnisse waren die Ursachen. 1803 war das Jahr, in dem Napoleons Neuordnung Europas aus dem Nassauisch-Usingischen ein badisches Lahr machte.
Das Ereignis wurde freudigst erwartet und mit einem großartigen Fest begangen. Es gab Freudenfeuer, Fackelzüge, Festmähler und Speisung der Armen, und der Mechanicus der Stadt ließ einen Ballon aufsteigen.
Doch nach den Feiern trat hie und da Ernüchterung ein. Die Lahrer Fabrikanten und Handelsleute hatten um ihre Privilegien zu bangen, die beiden Apotheker befürchteten die Zulassung einer weiteren Apotheke. Der Fabrikant Lotzbeck mußte 15 Gulden bezahlen, damit er seinen Tabak mit dem . Hochf. Badischen Wappen. bezeichnen durfte der Fürst geruhte allergnädigst, diese Summe dem Armeninstitut zuzuweisen.
In ganz besonders große Schwierigkeiten jedoch geriet der Hinkende Bote. Zwar hatte Johann Heinrich Geiger beim bisherigen Landesherren niemals eine ordentliche Druckerlaubnis erwirken können, doch der residierte im fernen Wiesbaden und duldete Geigers druckerische Aktivitäten mehr oder weniger, ja, er ließ sogar gelegentlich auch mal etwas Amtliches bei ihm drucken. Kaum war Lahr indes badisch geworden, da wurde dem Drucker aus dem zwar immer noch 12 Stunden entfernten, aber vergleichsweise nahen Karlsruhe mitgeteilt, er dürfe fortan nur noch sein Wochenblatt drucken, sonst aber ganz und gar nichts, weder Schulbücher, noch Amtliches und schon gar nicht seinen Kalender, den Hinkenden Boten. Schließlich hatte der Markgraf seinen eigenen Kalender, den im Verlag des Fürstlichen Gymnasiums erscheinenden Landkalender. Und da gab es auch noch den Rastatter Hinkenden Boten. Dessen mit Privilegien versehener Drucker und Verleger Sprinzing versuchte alles, seinem schon zuvor lustigen Konkurrenten das Wasser abzugraben. Er stellte den Antrag, dem Geiger den Kalenderdruck bei Strafe zu untersagen und ihn in seine Schranken als Buchbinder zurückzuweisen.
Im April 1803 bat Geiger den durchlauchtigsten Markgrafen, ihm den Verkauf des schon im Druck befindlichen Kalenders auf das Jahr 1804 zu gestatten. Ein Verbot würde ihn und seine Familie - . sechs hoffnungsvolle aber noch kleine, unerzogene Kinder. - ins Verderben stürzen. Das könne doch nicht im Sinne der neuen Herrschaft sein, habe sie doch bei der Besitznahme der Grafschaft Lahr öffentlich versichert, niemand solle in seinem . Besitz, Recht und Nahrung. benachteiligt werden.
Doch die zuständige Behörde, das kurfürstliche Kirchenratskollegium, ließ sich nicht erweichen. Sie untersagte am 8. Juli 1803 den Druck des Kalenders - endgültig, wie es aussah. Geiger hatte wohl insgeheim auf die Druckgenehmigung gehofft und deshalb den Kalender schon bis auf den letzten Bogen gedruckt. Deshalb mußte er nun weiterkämpfen, es ging um seine Existenz.
Wieder bat er, ihm eine Genehmigung . huldreichst zugehen zu lassen. . Dieses Schreiben endete mit den damals üblichen Demutsformeln: . Ich getröste mich der Erhörung meiner unterthänigsten Bitte und ersterbe in tiefster Ehrfurcht Eurer Kurfürstlichen Durchlaucht unterthänigst gehorsamster Johann Heinrich Geiger..
Als im August, das Verbot immer noch nicht aufgehoben war, Geiger sich also immer noch nicht . getrösten. konnte, ging ein neues Schreiben nach Karlsruhe. In ihm erinnerte er an den drohenden Verlust von Arbeitsplätzen. Das Verlagswerk sei für ihn schon allein deshalb nötig, weil er sonst nicht genug Beschäftigung für die dazu erforderlichen Leute habe.
Doch die Verhandlungen zogen sich hin, die Akte füllte sich. Geiger fand immer neue Gründe für sein Gesuch: . Badens weise Regierung hat in der Nähe und Ferne den hohen Ruf, daß Künste und Gewerbfleiß unterstützt und befördert werden, und dies erhält auch in mir die Hoffnung, daß mir von Sr. Kurfürstl. Durchlaucht aus der Fülle für Buchdruckereien vorräthigen Geschäfte gnädigst auch einige Artikel zugewiesen werden, damit ich in meiner Unternehmung nicht gehemmt und durch allzu viele Nahrungssorgen erdrückt werde..
Auch der Konkurrent Sprinzing war nicht müßig. Auch er schrieb Briefe, in denen er den . Buchbinder. Geiger anschwärzte. Dieser sei ja gar kein Drucker - schon wieder also dieser Vorwurf - und schade mit seinem Kalender dem Karlsruher und seinem, Sprinzings Landkalender außerordentlich.
Geiger schaltete die ihm wohlgesonnenen örtlichen Behörden ein. Gutachten wurden eingeholt. Das Lahrer Oberamt lobte in einem amtlichen Schreiben den braven Mann in höchsten Tönen. Aus dem nahen Ettenheim bescheinigte das bischöflich Straßburgische Vikariat außerordentlichen Dienstfleiß in allen Druckangelegenheiten. Seit Kardinal Rohan in den Wirren der Französischen Revolution dorthin geflohen war, besorgte Geiger alles, was das Vikariat an Gedrucktem benötigte.
Erst im November 1803 kam die erlösende Nachricht mit der Erlaubnis für den Verkauf des inzwischen längst versandfertigen Kalenders . pro anno 1804. . Das Geschäft mit diesem Kalender schien gut zu laufen. Noch im Februar 1804 druckt Geiger nach und bietet ihn am 15. Februar im Wochenblatt wieder an: . Einige Hinkende Bote und Sackkalenderle (Taschenkalender) sind bei Ausgeber dieses wieder zu haben..

 



Die Konkurrenz des Lahrer Hinkenden Boten beim Start vor 200 Jahren: der . Hochfürstl. Markgräfl. Badenscher gnädigst privilegirter Landkalender. , der im Verlag des Fürstlichen Gymnasiums in Karlsruhe erschien.


Große Schwierigkeiten hatte der Lahrer Verleger Johann Heinrich Geiger, den Hinkenden Boten auf das Jahr 1804 erscheinen zu lassen, denn der badische Markgraf, der einen eigenen Kalender herausgab, wollte keine Druckerlaubnis erteilen.