Die Währungen wurden umgestellt
Die Mark beendete den Münzenwirrwarr
von Ursula Huggle

Knapp 130 Jahre ist es jetzt her, seit die Deutschen einen Kaiser und ein Kaiserreich bekamen, das im Nordosten bis an die Memel und weiter südlich bis Kattowitz in Oberschlesien reichte. Außer dem riesigen Königreich Preußen gehörte eine Vielzahl weiterer Staaten nun zum Deutschen Reich, neben kleineren Staaten und Stadtstaaten auch Bayern, Sachsen, Württemberg, das Reichsland Elsaß-Lothringen und das Großherzogtum Baden. Und jeder Staat hatte bisher sein spezielles Süppchen gekocht, besaß eigene Maße und Gewichte und eine besondere Landeswährung. Im Norden war vor allem der Taler in Umlauf, im Süden der Gulden.

Um dem Münzenwirrwarr beizukommen, wurde noch im Jahr der Reichsgründung 1871 die Einführung einer einheitlichen Währung auf Goldbasis statt der bisher hauptsächlich geltenden Silberwährung beschlossen. Das bedeutete, daß künftig nur Gold vollwertiges Währungsmetall und gesetzliches Zahlungsmittel sein würde. Durch das Gesetz vom 9. Juli 1973 wollte man die vielerlei Landeswährungen abschaffen, liefen doch allein 126 Münzsorten deutschen Gepräges um, dazu kamen noch die vielen ausländischen Silber- und Goldmünzen. Erstaunlicherweise waren die Zeitgenossen trotzdem in der Lage, halbwegs mit dem Währungschaos fertig zu werden, das auch den Handel zwischen den Staaten erschwerte. Wer reiste, tat gut daran, sich außer mit Gulden, Kreuzern und Pfennigen auch mit Groschen, Talern, Louisdors und Schillingen einzudecken. Mit dem Papiergeld hatte ein gewöhnlicher Reisender noch wenig zu tun, diesem traute man nicht über den Weg, war man doch an Münzgeld gewöhnt.

Die damalige Währungsumstellung - mit dem Euro steht uns eine ähnliche bevor - wurde in den vielen Lokalblättern

nicht mit großen Schlagzeilen angekündigt. Es wurde ihr längst nicht so viel Aufmerksamkeit gewidmet wie heute der Einführung des Euro. Dabei handelte es sich um eine wichtige Angelegenheit, um einen Höhepunkt innerhalb eines langen Entwicklungsprozesses, der sich auf europäischer Ebene abspielte und der auch eine Vereinheitlichung von Maß und Gewicht mit sich brachte. Aber warum sollte sich auch ein Zeitgenosse aufregen! Seit ewigen Zeiten bezahlte man mal in Gulden und Kreuzern, mal in "Luythohr. (Louisdor), Groschen, Kronentalern, Batzen und Pfennigen. Man war das Umrechnen gewohnt.

Entscheidende Impulse zu einer Vereinheitlichung sowohl der Währung als auch der Maße und Gewichte waren von der Französischen Revolution von 1789 ausgegangen. Mit einigen Verzögerungen und Unterbrechungen wurde damals das metrische System eingeführt, das Maßeinheiten zuließ, die wir heute noch benutzen: Meter und Kilogramm. Zu gleicher Zeit wurde auch das Dezimalsystem vorgeschrieben. Es löste im Laufe des 19. Jahrhunderts das seit mehr als 1000 Jahren gültige Zwölfersystem ab, welches heute zum Beispiel noch beim "Dutzend. lebendig ist. Besonders früh hatte das Land Baden die Dezimaleinteilung übernommen, denn bereits 1828 wurden unter Großherzog Ludwig badische Taler zu 100 Kreuzern geprägt, die für kurze Zeit den Gulden zu 60 Kreuzern ablösten. Nur drei Jahre später stellte sein Nachfolger diese Prägung aber wieder ein und kehrte zum alten Guldensystem zurück. Man traute der Neuerung einfach noch nicht so recht.

Aber ein überall gültiges Geld hätte man schon gerne gehabt. Dieser Wunsch ging 1838 in Erfüllung, nachdem durch die Gründung des Zollvereins ein gemeinsames Wirtschaftsgebiet der deutschen Staaten geschaffen worden war. Mit der "Vereinsmünze. wurde ein erster Versuch zu einer einheitlichen Währung gemacht, der allerdings scheiterte, weil die Vereinsmünze einfach einen zu hohen Wert besaß: 2 Taler beziehungsweise 3 1/2 süd-deutsche Gulden. Dafür konnte man ja ein kleines Schwein oder einen Zentner Heu kaufen! Was gebraucht wurde, waren kleinere Münzen wie Kreuzer; für zehn bis zwölf Kreuzer bekam man ein Pfund Fleisch, für das Doppelte ein Pfund Butter.

Die nächste entscheidende Station auf dem Weg zu einem einheitlichen Wirtschafts- und Währungsgebiet stellt der Wiener Münzvertrag von 1857 dar. In diesem Vertrag wurde die Einführung des nach dem Zollverein "Zollpfund. genannten Münzgewichts zu 500 Gramm beschlossen. Das Gewichtspfund war ja längst bekannt, aber in Nürnberg wog es 477 Gramm, in Konstanz 575 und in Freiburg gab es gleich drei verschiedene Pfundgewichte, je nach Ware! Jetzt hatte man wenigstens ein einheitliches Münzgewicht. Wir müssen uns heute klarmachen, daß Geld - und das waren fast ausschließlich Münzen - mit Gewicht zu tun hatte, denn aus einem Zollpfund zu 500 Gramm wurden 30 Taler oder 52 1/2 Gulden geschlagen. Ein Taler wog demnach rund 16,7 Gramm, ein Gulden 9,5 Gramm. Papiergeld als Zahlungsmittel bürgerte sich nämlich erst von den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts an ein. Noch 1914 bestand nur etwa ein Drittel des umlaufenden Geldes aus Noten.

Erneut wurde Mitte des vergangenen Jahrhunderts eine gemeinsame Münze eingeführt, der silberne Vereinstaler, eigentlich ein preußisches Eintalerstück. Er galt nur halb so viel wie die Vereinsmünze, nämlich 1 1/2 Gulden. Dieses handliche Silberstück löste auch in Süddeutschland den dort umlaufenden Gulden langsam ab. Jetzt erst wurde die jahrhundertealte Grenze zwischen den Talerländern im Norden und den Guldenländern im Süden durchlässiger. Aber trotz der bisher erreichten Vereinheitlichung existierten bei der Reichsgründung noch fünf verschiedene Währungskreise mit mehreren Rechensystemen. Durch Elsaß-Lothringen kam nach dem Deutsch-Französischen Krieg noch der in 100 Centimes eingeteilte französische Franc hinzu. Man kann sich vorstellen, daß die Umrechnung der vielen Münzen oft zu Unstimmigkeiten führte. Ein Zeitgenosse klagte: "Jedes Geschäft ist eine Quelle von Unfrieden, von Bosheit, von Irrtümern und Betrug.. In Baden gewöhnte man sich jedenfalls an den neuen Vereinstaler, auch wenn alle Preise weiterhin nur in Pfennig, Kreuzern und Gulden angegeben wurden.

Fünf Jahre nach der Gründung des Deutschen Reichs trat dann die seit langem vorbereitete neue Währung am 1. Januar 1876 in Kraft. Die Landeswährungen wurden nach und nach aus dem Verkehr gezogen, die von den Süddeutschen geliebten Gulden eingezogen. An jenem 1. Januar meinte ein Zeitgenosse in der Freiburger Zeitung, daß es höchste Zeit für eine Währungsumstellung gewesen sei: "Wer in der Schweiz, Frankreich, Belgien, Italien et cetera gereist ist, hat genügend Erfahrung machen müssen, daß ihm sein gutes deutsches Geld einfach nicht oder sehr niedrig geschätzt abgenommen wird.. Das änderte sich nun mit Einführung der "Mark. , die ihren Namen dem seit 1500 in Hamburg und Lübeck kursierenden gleichnamigen Zahlungsmittel verdankt.

Vom Pfennig bis zum 5-Mark-Stück in Dezimaleinteilung handelte es sich um sogenannte Scheidemünzen, um unterwertig ausgeprägte Münzen aus Silber- oder Kupferlegierungen, deren Nominalwert den Metallwert überstieg. Sie trugen alle das gleiche Gepräge auf der Rückseite, den Reichsadler. Dieser schmückte auch die Rückseite der Goldmünzen im Wert von zehn und 20 Mark. Auf der Vorderseite durften die einzelnen Staaten jedoch das Porträt ihres Landesherrn abbilden, in Baden das des Großherzogs. Neben den Münzen wurden nun zunehmend Banknoten ausgegeben.

Bis 1908 herrschte im Deutschen Reich eine "hinkende Goldwährung. vor, da immer noch viele Silbermünzen im Umlauf waren. Warum die Silbermünzen nicht aus dem Verkehr gezogen wurden, hat mehrere Gründe. Zum einen waren einfach zu viele einheimische Silberstücke wie der Taler im Umlauf, zum anderen wurde Süddeutschland mit ausländischen Silbermünzen wie dem österreichischen Gulden überschwemmt. Allzu gern griffen die Badener noch zum altgewohnten und vertrauten österreichischen Silber, zu unbequem und zeitraubend war die Umrechnung in Mark: Ein goldenes Zehnmarkstück galt beispielsweise fünf Gulden 50 Kreuzer.

Woher nahm die Reichsregierung aber das viele Gold? "Seit jenem ersten Münzgesetz (von 1871) wird unaufhörlich auf allen deutschen Münzen das Gold der französischen Kriegsentschädigung in Stücken von 20 und 10 Mark ausgeprägt. , ist im Oberrheinischen Courier zu lesen. Der innerhalb von nur fünf Jahren durchgeführte Übergang zur Goldwährung wurde durch den

Zufluß der in Gold geleisteten Reparationszahlungen der Franzosen nach dem Deutsch-Französischen Krieg mitfinanziert!

Ganz allmählich gewöhnte man die Leute an die neue Währung. Waren im Januar 1875 die Preise und die Markttarife sowohl in Gulden und Kreuzern als auch in Mark und Pfennig angeschlagen, so notierte man im Sommer nur noch in der neuen Reichswährung. Von Panikkäufen aus Angst vor dem neuen Geld, wie sie beim Euro befürchtet werden, war nichts zu spüren. Proteste hatte es allerdings gegeben, als die Bäcker und Metzger allzu großzügig ihre Preise nach oben aufrundeten! So mancher vermißte den gewohnten Kreuzer und taufte das silberne Zwanzigpfennigstück liebevoll "Siebenerl. , da es den Wert von sieben Kreuzern hatte.

Das stabile Gefüge der Goldwährungsordnung änderte sich bald. Im Jahr 1909 wurde zunächst die Papiermark, also die Banknote, gesetzliches Zahlungsmittel. Sie mußte von der Reichsbank jederzeit gegen Gold eingetauscht werden. Diese Einlösepflicht hob die Reichsregierung jedoch 1914 auf. Von dort an zog die Reichsbank immer mehr Goldstücke aus dem Verkehr und gab dafür Papiergeld aus. Schließlich galt es, einen Krieg zu finanzieren. Nach einer Umlaufzeit von nur 50 Jahren setzten Inflation und Währungsreform (keine Währungsumstellung!) der Gold-Mark 1923 ein Ende.



 



Nachdem die neue Mark-Währung am 1. Januar 1876 in Kraft trat, trugen alle Münzen auf der Rückseite den Reichsadler. Die Vorderseite schmückte das Portrait des jeweiligen Landesherrn, in Baden das des Großherzogs Friedrich I.


In einer Annonce der Breisgauer Zeitung von Sonntag (!), 3. Januar 1875 ist der Eintrittspreis sowohl in Kreuzern als auch in Mark angegeben. Auch der Druckfehlerteufel trieb damals sein Unwesen: erbenst statt ergebenst.



Vorder- (oben) und Rückseite (unten) eines 100-Mark-Scheins von 1883