Heinrich V. - der letzte Sailier
Er akzeptierte 1122 das Wormser Konkordat
von Bernhard Pollmann

Vor 875 Jahren, am 23. Mai 1125, starb Kaiser Heinrich V., der letzte König und Kaiser der Dynastie der Salier. Unter seiner Herrschaft erreichte der "Investiturstreit" genannte Machtkampf zwischen Papsttum und Kaisertum seinen Höhepunkt und sein Ende: Mit den im Wormser Konkordat 1122 getroffenen Vereinbarungen hatte das Papsttum diesen Kampf gewonnen; für Deutschland bedeutete dies eine entscheidende Schwächung des Kaiser- und Königtums sowie das Erstarken der Landesfürsten.

Als Heinrich V. im Jahr 1099 als Zwölfjähriger in Aachen zum König gekrönt wurde, standen sich Papsttum und Kaisertum in einem gnadenlosen Kampf um die politische Macht gegenüber: Das ottonisch-salische Kaisertum hielt an der bewährten Linie fest, daß Bischöfe und Äbte vom Kaiser oder König eingesetzt werden (Investitur mit Ring und Stab) und damit Reichsbeamte sind, das Papsttum hingegen verwies auf den "geistlichen" Stand der "geistlichen Fürsten" und erklärte die Investitur durch einen Laien (der Kaiser ist kein Geistlicher) zur Ketzerei.

Heinrichs Vater, der "Canossa"-Kaiser Heinrich IV., wurde während der Auseinandersetzungen mit dem Papsttum gebannt und vom Papst für abgesetzt erklärt. Als sich sein älterer Sohn, König Konrad (Heinrichs V. älterer Bruder), auf die Seite des Papstes stellte, erklärte der gebannte Kaiser König Konrad für abgesetzt und veranlaßte das deutsche Wahlkollegium, den zwölfjährigen Heinrich V. zum neuen König zu wählen. Bevor Heinrich V. gewählt wurde, mußte er seinem Vater einen Eid leisten, der ihn von jeglicher Mitregung ausschloß. Damit agierten folgende Figuren auf der politischen Bühne: Es gab einen vom Papst gebannten, aber politisch weiterhin aktiven Kaiser (Heinrich IV.), einen weitgehend ins politische Aus manövrierten "päpstlichen" König (Konrad) und einen unmündigen "kaiserlichen" König (Heinrich V.), der sich per Eid hatte verpflichten müssen, keine Politik zu machen, und zudem vom Papst nicht anerkannt wurde. Hinzu kamen mehrere Päpste und Gegenpäpste, von denen aber nur einer zur Zeit Heinrichs V. wichtig wurde: Paschalis II. - und dieser dachte in Rom über den nächsten politischen Schachzug nach, denn er wußte, daß es in Deutschland und in Italien eine breite Opposition gegen den gebannten Kaiser gab.

Sowohl Paschalis als auch der gebannte Kaiser Heinrich IV. rechneten nicht damit, daß der Knabe Heinrich V. innerhalb kürzester Zeit das politische Intrigenspiel erlernen würde. Im Jahr 1104 aber nutzte Heinrich V. die Widerstände der deutsch-italienischen Opposition gegen den gebannten Kaiser, ging zur päpstlichen Partei über, brachte Fürsten und Bischöfe hinter sich, nahm den gebannten Kaiser Heinrich IV. gefangen und stellte ihn vor die Entscheidung: Entweder du dankst ab oder du tust, was der Papst will; Kaiser Heinrich IV. konnte zwar fliehen, aber sein politisches Schicksal war besiegelt, 1106 starb er.

Nun war neben Paschalis Heinrich V. die Hauptperson beim Ringen um die Macht. Da sich Heinrich durch die Gefangennahme des gebannten Kaisers "päpstlich" verhalten hatte, erkannte ihn Papst Paschalis II. als König an. Alles schien aus päpstlicher Sicht gut zu gehen, doch schon bald merkte Paschalis, daß er bei Heinrich V. - wie es in einer mittelalterlichen Chronik heißt - "nicht die Demut fand, die er in den deutschen Herzen gesucht hatte". Ebenso wenig wie Heinrich IV. war Heinrich V. bereit, zugunsten des Papsttums auf die Investitur von Bischöfen und Äbten zu verzichten. Die vom Kaiser eingesetzten Bischöfe und Äbte bildeten einen der Machtpfeiler des ottonisch-salischen Reichskirchensystems. Da Äbte und Bischöfe kinderlos blieben, konnten sie keine vererbbare Hausmacht aufbauen: Wirtschaftlich, militärisch und politisch mußten sie ihre Macht in den Dienst des Kaisers stellen, der nur diejenigen per Investitur zu Äbten und Bischöfen erhob, auf deren Loyalität er bauen konnte.

Heinrich V. war zwar König, aber ihm fehlte die Kaiserkrone. Im Jahr 1111 zog er mit einem Heer nach Rom und zwang Papst Paschalis durch Waffengewalt, einen Vertrag zu unterschreiben, in dem das Papsttum das kaiserliche Recht der Investitur anerkannte. Als dieser Vertrag am 12. Februar öffentlich verlesen wurde - die Verlesung sollte den Auftakt zur Kaiserkrönung bilden -, erhob sich ein Tumult unter der päpstlichen Partei, an eine Kaiserkrönung war nicht mehr zu denken, und König Heinrich V. setzte kurzerhand den Papst und die Kardinäle gefangen. Am 11./12. April sicherte der Papst dem König noch einmal zu, das kaiserliche Recht der Investitur anzuerkennen, und verpflichtete sich, Heinrich V. niemals zu bannen; am 13. April krönte er Heinrich V. zum Kaiser.

Kaum war der neue Kaiser zurück in Deutschland, mußte Paschalis 1112 auf Druck der Kurie den Vertrag für ungültig erklären. Damit war prinzipiell wieder die gleiche Situation wie unter Heinrich IV. gegeben: Die scheinbar auf päpstlicher Seite stehenden (tatsächlich auf den Ausbau ihrer Landesherrschaften bedachten und nach mehr Unabhängigkeit vom Kaiser strebenden) thüringischen und sächsischen Fürsten erhoben sich gegen den Kaiser und besiegten ihn 1115 in der Schlacht am Welfesholz.

Erneute Verhandlungen mit dem Papsttum führten 1122 zum Wormser Konkordat, das den Investiturstreit beendete: Heinrich V. verzichtete auf die Investitur und gestand der Kirche freie Wahl der Bischöfe und Reichsäbte zu; zwar sicherte das Konkordat dem Königtum einen gewissen Einfluß bei der Besetzung der Bistümer und Reichsabteien, doch mit dem ottonisch-salischen Reichskirchensystem, das Bischöfe und Äbte als kaisertreue Beamte benutzt hatte, war es vorbei.

Als Heinrich V. 1125 starb, war die Niederlage des Kaisertums als "Supermacht" in Deutschland besiegelt: Auf Kosten einer starken Zentralmacht bauten statt dessen die geistlichen und weltlichen Landesfürsten ihre Territorialherrschaften aus.