Fasnacht nur alle fünf Jahre
Telfer Schleicherlauf im Jahr 2000
von Lissi und Fritz Sturm

Nur alle fünf Jahre begeht Telfs im oberen Inntal in Tirol seine Fasnacht, und im Jahr 2000 ist es wieder soweit.

Schon Wochen, ja sogar Monate vor dem großen Umzug an einem Sonntag im Februar ist die gesamte Bevölkerung des Marktfleckens in die Vorbereitungen eingebunden. Ursprünge und Hintergründe dieses fest verwurzelten Ereignisses sind nicht mit Sicherheit zu erklären; eines nur steht fest: der Brauch wurde bereits im Jahre 1621 gepflegt. Dies ist einem Streit zufolge in einem Gerichtsprotokoll dokumentiert. Damals wurde die Bestrafung mehrerer Fasnachter festgehalten, die partout nicht von dem Brauch lassen wollten.

Festgehalten ist auch, daß Frauen nicht aktiv an der Fasnacht teilnehmen dürfen. Ihr Platz - und er ist beileibe nicht der unbedeutendste - ist hinter den Kulissen als Patinnen oder "Gotln. . Sie betreuen die Gruppen während der ganzen Fasnachtszeit. Sie nähen auch die kostbare Kleidung. Aber auch in den fünf Jahren zwischen den Fasnachten reißen die Kontakte zwischen den Patinnen und ihren Gruppen nicht ab, sie knüpfen vielmehr soziale Beziehungen über Jahrzehnte hinaus.

Der Böllerschuß um 11 Uhr am vorher festgelegten Sonntag ist das Startsignal zum Großen Telfer Schleicherlauf. Zu dieser Zeit wird es bereits eng auf Straßen und Plätzen; es werden um die 30.000 Besucher erwartet.

Angeführt wird der Zug durch die Sonne, ein Kernstück aus rätoromanischem Vorfrühlingsbrauchtum, ihr folgen die Herolde, die Musikkapelle und die "Vier Jahreszeiten. - eine Gruppe aus zwölf Reitern. Das Spalier entlang der Straße wird merklich enger, denn nun folgt der Höhepunkt: Die Schleicher. Sie sind allesamt prächtig in Samt und Seide gehüllt, Riesenschellen an ihren Gürteln intonieren ihre teils hüpfende rituelle Schrittfolge. Den unverwechselbaren Charakter des Schleicherlaufs machen vor allem die individuell gestalteten Hüte der Schleicher aus. Es sind Kunstwerke, bis zu zwölf Kilogramm schwer, die keiner altüberlieferten Tradition anhängen, sondern Wandlungen und Neuerungen unterworfen sind. Hauptmotive sind Darstellungen aus dem ländlich-bäuerlichen Leben, der Tiroler Sagenwelt und der Jagd. Sie werden am Ende des Schleicherlaufs in der Stadthalle ausgestellt und prämiert.

Der prachtvollen Gruppe der Schleicher folgen die "Wilden. . Während die Schleicher Masken aus feinem Drahtgeflecht tragen, die den Trägern ein jünglinghaftes Aussehen verleihen, haben die "Wilden. , es sind sehr urige Gestalten, Holzmasken zu ihren Gewändern aus Baumflechten.

Leben bringt das "Fahrende Volk. auf die Straßen und Plätze. Jongleure mit brennenden Fackeln, der Riese, der Ketten sprengt, ein anderer wagt tollkühne Sprünge durch brennende Reifen. Dazu gehört auch der Bär mit dem Bärentreiber als Erinnerung an die Wanderzirkuswagen, die in früheren Jahren durch das Tiroler Land zogen, ebenso die "Laninger. . Als Pfannenflicker, Korbflechter und Besenbinder wanderten sie von Ort zu Ort und verdienten sich ihren spärlichen Lebensunterhalt. Als Fasnachtsgruppe verewigt, ziehen sie mit ihrem alten Karren und dem "Naz. im Zug mit. Der "Naz. , eine mehr als hundert Jahre alte Puppe, ist zum Symbol der Telfer Fasnacht geworden.

So spielerisch leicht Tänze und Sprünge der Teilnehmer wirken, dahinter verbirgt sich eine unglaubliche sportliche Leistung, Kraft, Ausdauer und Kunstfertigkeit. Zwölf Stunden, vom Schminken um 5 Uhr früh bis zum Ende des Laufs gegen 17 Uhr ist so ein "Schleicher. , "Tuxer. oder "Goaßer. voll bepackt und mit schweren Masken ununterbrochen und bewegungsintensiv auf den Beinen. Nach dem Grund gefragt, sich solch einer Tortur zu unterziehen, antwortet ein aktiver Fasnachter: "Freude am Tanz und Schauspiel, einem Gruppenerlebnis, das auch für den Menschen des Computerzeitalters seine Faszination nicht verloren hat..

Den karnevalistischen Teil bringen die verschiedenen "Wagen. ins Spiel, auf denen sich der Oberländer Humor in Art eines "Volksschauspiels auf Rädern. über die Obrigkeiten in Stadt und Land kräftig Luft macht und satirisch die Geschichte der letzten fünf Jahre aufs Korn nimmt.

Diese "Wagen. , auch "Hüttln. genannt, gewinnen in der Telfer Fasnacht immer mehr an Bedeutung. Früher wurden die Wagen der Fasnachtsgruppen nur drei Tage lang gebraucht. Seit einiger Zeit hat es sich in Telfs eingebürgert, daß die Wagen vom "Nazausgraben. am 6. Januar jedes Wochenende von Fasnachtsbegeisterten aus Telfs und den umliegenden Gemeinden in einer "Hüttl-Tour. besucht werden. Von Wagen zu Wagen ziehen dann auch die Vertreter der einzelnen Gruppen mit ihren "Gotln. . Für Stimmung, Unterhaltung und Tanz sorgen meist Musikanten der Gruppen. Für Getränke und deftige Speisen gibt's keine Festpreise, der Gast verabschiedet sich dafür mit einer Spende in die Gruppenkasse und wechselt zum nächsten Wagen.

Während für die Besucher von außerhalb der Telfer Schleicherlauf mit dem Ausstellen der "Schleicherhüte. in der Stadthalle endet, feiern die Telfer Narren ihre Fasnacht noch bis zum Faschingsdienstag, wo der "Naz. in großer Trauer mit Weinen und Wehklagen für die nächsten fünf Jahre "eingegraben. wird.


 




Prächtig in Samt und Seide gehüllt bildet die Gruppe der "Schleicher. den Höhepunkt des Telfer Schleicherlaufs, der alle fünf Jahre stattfindet.


Den Zug führen zwölf Reiter an, die die vier Jahreszeiten, angeführt vom Winter, symbolisieren.


Die "Schleicher. schmücken sich mit individuell gestalteten Hüten, die bis zu zwölf Kilogramm schwer sind.


Die Hauptmotive der Hüte sind Darstellungen aus dem bäuerlichen Leben, der Tiroler Sagenwelt und der Jagd.


Nach dem Schleicherlauf werden die kunstvoll gestalteten Hüte der Schleicher in der Stadthalle ausgestellt und prämiert.