Von den drei Weisen
von Günther Posern

Es war ums Jahresende, vor vielen, vielen Jahren, weit hinten im Kannebäcker Land. In den Stuben leuchteten die Weihnachtskerzen, vor den Fenstern schüttelte Frau Holle die Betten, zur Freude der Kinder rechtzeitig zu den Ferien.

Die Alten saßen vor den warmen Öfen und sangen, und auf den Gabentischen lagen Pullover und Handschuhe und die zuckerübergossenen Leckereien von Mutters Backblech. Zu mehr reichte der spärliche Verdienst der Tagelöhner nicht, als zu den Kerzen auf dem Baum und den selbstgebackenen Süßigkeiten, die den Kindern in den Mund gezählt wurden, damit keines zu kurz kam.

Jahraus, jahrein zogen die Topfhändler durch das Land, mit einem hölzernen Wagen, von zwei Pferden gezogen, denen man ansah, daß sie zur Weihnachtszeit auf eine doppelte Portion Hafer hofften.

An dem Wagen hing das schönste Geschirr: Töpfe, Krüge, Tassen, Teller und prächtige Vasen aus der Heimat der Töpfer.

Dieses fast ausgestorbene Gewerbe befand sich vor mehr als einem dreiviertel Jahrhundert in voller Blüte. Aber reich werden konnte man mit den "Dippeches", wie die Leute sagten, auch damals nicht. Die "Dippecheskrämer" mußten mit ihrer Ware von Haus zu Haus ziehen und verdienten nur kärglich ihren Lebensunterhalt. Für das Gasthaus reichte es nicht. So schliefen sie bei gutmütigen Leuten, im Stroh der Bauern oder wie unsere Drei - im Backhaus. Die Glut im Ofen heizte das kleine Dachstübchen, in dem die Kannebäcker untergekommen waren, so daß sie nichts vom strengen Winter verspürten.

Dafür kamen sie spät zur Ruhe, denn das Backen, das die Frauen unter sich ausgelost hatten, dauerte die halbe Nacht. So wurden die Drei im Stübchen erst wach, als die Glocken schon zur Kirche riefen, und zum Gottesdienst wollten sie an diesem Morgen gehen.

Als sich die alte Kirchentür hinter den Kannebäcker Topfhändlern schloß, hatte die Predigt schon begonnen. Die Drei suchten ein stilles Eckchen, aber die Bankreihen waren an diesem Morgen dicht besetzt, und das Knarren der Tür hatte die hinten Sitzenden in ihrer Andacht gestört. Aber der Pfarrer war so vertieft, daß er für nichts Augen hatte als für das Manuskript seiner Predigt und nur an die drei Weisen dachte, die nach Jerusalem kamen und den neugeborenen König der Juden suchten. "Wer sind diese Männer?" fragte er gerade, "und wo kamen sie her?"

Die drei Kannebäcker blieben wie angewurzelt stehen. Mußte der Pfarrer sie in solche Verlegenheit bringen? Wollte er sie vor der ganzen Gemeinde wegen ihrer Unpünktlichkeit rügen? Sie hatten doch nur verschlafen, weil die Frauen im Backhaus nicht fertig geworden waren. "Wer sind die drei Männer?" fragte der Pfarrer wieder, "und wo werden sie hergekommen sein?" Da nahm der Jakob all seinen Mut zusammen und rief laut in die Stille des andächtigen Kirchleins: "Wir drei kommen von Breitscheid und handeln mit Dippechesgeschirr!"


 




Jahraus, jahrein zogen die Topfhändler durch das Land, mit einem hölzernen Karren,