Die Botschaft hör' ich wohl...
von Dietrich von Boecklin

Der Schellenklang kommt näher. Fenster und Türen öffnen sich. Der "Bott. (Dorfbote) kommt! Er schwingt seine Glocke, läutet kräftig und verliest an bestimmten Stellen des Dorfes "Bekanntmachungen. . Wenn er weiterzieht, nutzen die Nachbarn die Gelegenheit zu einem Plausch, zu einer Diskussion der amtlichen Mitteilungen. Dieser Dorfbote wirkte nicht etwa im Mittelalter, sondern zog noch in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Dörfer. Oft hatte er auch Unangenehmes zu verkünden. Er kannte aber jeden mit seinen Sorgen und Nöten und wußte (fast) alles. Eine liebenswerte Gestalt! Traurig waren wir, als er durch eine Ortsrufanlage ersetzt wurde.

Die Geschichte des Botenwesens beginnt im alten Ägypten. Die Pharaonen setzten Fußboten zum Transport von Papyrusblättern ein. Sie hatten weite Strecken zurückzulegen - eine gefährliche Aufgabe! Um 2300 v. Chr. wird berichtet, daß die Boten aus Furcht, unterwegs umzukommen, häufig vor Antritt der Reise ihr Vermögen den Kindern vermachten. Über Namen und Herkunft der Boten wissen wir nichts, wohl aber über den Inhalt einiger Botschaften. So korrespondierte König Echnaton, bekannt als Gemahl der schönen Nofretete, mit dem König von Babylon über den Austausch von Prinzessinnen für den jeweiligen Harem. Auf 400 Tontafeln aus dem 14. vorchristlichen Jahrhundert, die erst 1888 entdeckt wurden, sind diplomatische Verhandlungen festgehalten.

Über das Nachrichtensystem des Perserkönigs Xerxes während seines griechischen Feldzugs im Jahre 480 v. Chr. berichtet Herodot: "Es gibt nichts Schnelleres auf der Welt als diese persischen Boten. So viele Tagereisen der Weg beträgt, so viele Pferde und Männer sind bereitgestellt. Auf jede Tagesstrecke rechnet man einen Reiter und ein Pferd.. In den größeren Städten des Altertums gab es auch schon optische Zeichenübermittlungen, die "Feuertelegraphen. : Auf sorgfältig ausgewählten Trassen wurden bei Tag Rauchzeichen und bei Nacht Lichtzeichen weitergegeben, in der Regel von Turm zu Turm.

Göttliche Botschaften erhielten die Griechen von Hermes, Sohn des Zeus und der Bergnymphe Maia. Hermes ist der Götterbote, dargestellt mit Heroldstab, Flügelschuhen und Reisehut. Er ist Schutzherr der Kaufleute und Reisenden. Bei den Römern übernahm Mercurius dieses Amt. Zu den größten Leistungen des römischen Weltreichs gehören der Bau gepflasterter Straßen und - darauf fußend - die Einrichtung des cursus publicus durch Kaiser Augustus (reg. 27 v. Chr. - 14 n. Chr.): Eine Staatsverkehrsanstalt beförderte amtliche Gegenstände, Nachrichten oder Personen (keine Privatbriefe oder Privatpersonen). Erstmals wurden vierrädrige, mit zwei oder vier Pferden bespannte Wagen verwendet. Wechselpunkte und feste Stationen mit Quartieren teilten den cursus publicus in Etappen auf. Aus posita statio (feste Station) leitet sich der Name "Post. ab. Das ausgeklügelte System verfiel in der Zeit der Völkerwanderung (4. Jh. n. Chr.).

Mittelalter und frühe Neuzeit zeigen ein buntes Botenwesen. Zunächst verfügten nur Herrscher und andere Hoheitsträger über eigene Boten. Die karolingischen "Königsboten. waren aus solchen Einrichtungen hervorgegangene, mit besonderen Vollmachten ausgestattete Verwaltungsbeamte. Die geistlichen Orden bildeten als erste ein eigenes Botenwesen aus: Klosterboten, meist Klosterbrüder, vermittelten Nachrichten für Bistümer, Abteien und Klöster. So wurden auch die auf Pergamentrollen verzeichneten Namen verstorbener Mitbrüder weitergeleitet.

In Straßburg bestand bereits im 10. oder 11. Jahrhundert ein bischöfliches Botenwesen. Das Straßburger Stadtrecht von 1120 legt die Rechte und Pflichten des Bischofs in Bezug auf die Boten in lateinischer Sprache fest. Da heißt es: "Es ist das Recht des Bischofs, über 24 Boten aus der Zunft der Kaufleute zu verfügen. Zu deren Aufgabe gehört es, die Botschaften des Bischofs seinen Leuten innerhalb des Bistums zu überbringen. Jeder soll jedes Jahr dreimal Botendienste leisten. Der Bischof soll ihnen bei den Festessen, die er seinen Leuten gibt, Ehrenplätze anweisen, damit seine Leute sie um so besser erkennen..

Nachdem Straßburg freie Reichsstadt geworden war und regen Verkehr mit anderen Reichsstädten unterhielt, entwickelte sich ein vielseitiges Botenwesen: Die "Ehrbaren Botten. waren Mitglieder angesehener Familien. Sie waren beritten und hatten vier Diener zu ihrer Verfügung. Die "Einspännigen. , die ihr eigenes Pferd besaßen, beförderten die dringenden Botschaften der Stadt und schützten reisende Kaufleute. "Postreutter. waren offizielle Kuriere. Im Dienst der Allgemeinheit standen die "geschworenen Läuferboten. , die amtliche und private Schreiben zu übermitteln hatten; der Einzug geschuldeter Gelder kam später hinzu. Die Läuferboten wurden auf Gehorsam und Vertraulichkeit vereidigt. Die vorbildlichen Straßburger Botenordnungen des 15. und 16. Jahrhunderts verdienen ein besonderes Kapitel in der Geschichte der Arbeitsverträge.

Auf zeitgenössischen Holzschnitten erkennt man die besondere Botentracht mit "Botenbüchse. (ursprünglich zur Aufbewahrung von Briefschaften bestimmt, wandelte sich zu einem kleinen Wappenschild, das, oft aus Silber, als Abzeichen diente) und "Botenspieß. als Bewaffnung. In seinem bekannten "Narrenschiff. , einer Satire auf die Schwächen der Menschen, hat Sebastian Brant 1494 den Boten ein wenig schmeichelhaftes Denkmal gesetzt: "Vor lauter Wein wissen sie nicht mehr, was man ihnen aufgetragen; sie besähen die Briefe, damit sie deren Inhalt weitersagen können; von Wein benommen, lassen sie ihre Tasche auf der Bank liegen. , heißt es da. Viel freundlicher klingt 300 Jahre später Hebels Vers: "Nur flink durchs Land, Herr Bottema, mit eurer Taschen uf und a!.

Neben Städten und Städtebünden unterhielten Institutionen, die des Nachrichtenaustauschs bedurften (Universitäten), eigene Botendienste. In der Blütezeit des Botenwesens (16. Jh.) verkehrten die Boten der Kaufmannschaft von Amsterdam bis Danzig, von Kopenhagen bis Leipzig. Metzgerboten waren eine süddeutsche Besonderheit: Mit dem Wachsen der Städte mußten die Metzger regelmäßig über Land fahren, um dort Vieh einzukaufen. Auf diesen Reisen nahmen sie Botschaften und Gegenstände gegen Bezahlung in beide Richtungen mit. Bei ihrer Abfahrt und Ankunft bliesen sie ihr Horn, ein Ochsenhorn, um auf sich aufmerksam zu machen. So entstand das Posthorn.

Durch seine Heirat mit Maria von Burgund vergrößerte Kaiser Maximilian I. das Reich um die Niederlande und Burgund. Eine Folge davon: 1490 ließ er regelmäßige Botendienste von seiner Residenz Innsbruck nach Mecheln bei Brüssel, später nach Frankreich, einrichten. Das "Netz. wurde von der Familie der Tassis (spätere Schreibweise Taxis) aus Bergamo in Norditalien betrieben, die Erfahrung mit Botendiensten für verschiedene Höfe und die römische Kurie besaßen. Von 1506 an wurde auch private Post auf den staatlichen Kursen befördert. Die große, weit verzweigte Familie der von Taxis ermöglicht eine schnelle europaweite Ausbreitung des Postnetzes. Das Postregal des Herrschers überließ Kaiser Mathias 1615 der Familie von Taxis als erbliches Lehen. Zu dieser Zeit wird schon von Privatpersonen Briefporto erhoben.

Zur Beförderung von Botschaften kam der Transport von Personen, das Reisen. Nach Verbesserungen des Straßen- und Fahrzeugbaus wurde es erst im 19. Jahrhundert bequemer. Der Briefträger wird erstmals 1710 erwähnt; er wurde über ein Jahrhundert lang von den Empfängern direkt entlohnt. Briefmarken als Belege für entrichtete Postgebühren gibt es erst seit 150 Jahren, Postämter und Briefkästen wurden schon etwas früher eingerichtet. Baden begann 1848 mit der Bahnpost auf einigen von Heidelberg abgehenden Zügen. Reisende stiegen zur selben Zeit von der Postkutsche auf die Eisenbahn um.

Festzuhalten bleibt, daß die Staatspost das Botenwesen des Mittelalters verdrängt hat. Private Briefbeförderung wurde allerdings erst 1899 gesetzlich verboten. Nach der Privatisierung der Post kennen wir heute wieder Privatunternehmen zur Beförderung von Paketen und Gepäck.

Der Amerikaner Morse erfand 1844 den Schreibtelegraphen, ein revolutionäres Mittel für schnellere Nachrichtenübermittlung. Diese wurde "körperlos. nach der Erfindung des Telefons (1861) und der Entdeckung der elektromagnetischen Wellen durch Heinrich Hertz (1888) zur drahtlosen Übertragung von Telegraphie (aus dem Griechischen: Fernschreiben) und Telephonie (Fernsprechen).

1906 gelang es erstmals, eine Stimme über Funk zu übertragen. Weitere Stationen der rasanten Entwicklung: Radio (1923), Fernsehen (1928), dann nach dem Zweiten Weltkrieg: Satelliten außerhalb der Erde zur Übertragung von Telegrafiezeichen, Ferngesprächen, Dateninformationen, Fernsehsendungen; Elektronik, Computertechnik, Digitalisierung.

Raum und Zeit werden durch Allgegenwart und Gleichzeitigkeit ersetzt. Postkutsche und Schneckenpost werden an die Romantik zurückverwiesen. Im Blick auf das 21. Jahrhundert wird oft davor gewarnt, daß eine Informationsüberflutung Aktivitäten und Kreativität des Menschen beeinträchtigen könnte.



 



In den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts hatte das Königreich Preußen eine optische Telegraphenlinie von Berlin nach Koblenz eingerichtet. Insgesamt waren 61 Stationen mit Masten und beweglichen Querbalken im Abstand von sechs bis 15 Kilometer eingerichtet.


Mit der Erfindung des Schreibtelegraphen leitete der Amerikaner Samuel Morse eine Revolution der Nachrichtenübermittlung ein.


Ein "Stiftenschreiber von Morse aus dem Jahr 1846, der erste, der von Telegraphengesellschaften in den USA in Betrieb genommen wurde.


Einen weiteren Schritt zur schnelleren und vor allem allgemein nutzbaren Nachrichtenübermittlung leitete Philipp Reis ein, der 1861 sein erstes Telefon vorführte.