Ein fremder Baum schmückt Parkanlagen
von Doris Maier-Haupt

Es gibt einen Wanderer, seit Millionen Jahren unterwegs. Er ist Fadenalgen und Urmoosen näher verwandt als unseren jetzigen Gräsern und Blütenpflanzen. Obwohl zunächst als Kuriosität bestaunt, rechnen die heutigen Botaniker ihn, den Ginkgo biloba, nach langem Hin und Her zu den Bäumen. Seine Ursprünge liegen etwa 300 Millionen Jahre zurück. Die heutige Art wuchs bereits vor 150 Millionen Jahren. Sie hat alle seitherigen Katastrophen überlebt. Doch schließlich mußte auch der Ginkgo Zuflucht suchen in den Palast- und Tempelgärten Japans, Chinas, Koreas. Dort sollen Exemplare stehen, über 4000 Jahre alt.

Als man im Europa des 17. Jahrhunderts Baumfremdlinge aus aller Herren Länder holte, um die verarmte europäische Pflanzenwelt der Botanischen Gärten und Parks zu bereichern, war auch der fächerblättrige Baum dabei. Der deutsche Mediziner und Botaniker Engelbert Kaempfer entdeckte den Ginkgo auf einer Reise in Japan und beschrieb ihn 1712 ausführlich. Aber wo steht der älteste in Europa noch lebende Ginkgo? Im Botanischen Garten von Utrecht, 1730 gesät. Ein weiterer Baum in Leiden stammt aus dem Jahre 1754. Auch in Deutschland sind alte Ginkgos zu finden. Sie stehen, wahrscheinlich über 200 Jahre alt, im Park Wilhelmshöhe bei Kassel. Nach anderen Aussagen steht der älteste deutsche Ginkgobaum seit 1796 in einem Schloßpark am Niederrhein.

Seinen heutigen Namen erhielt der Ginkgo 1771. Durch Stecklinge, Ableger, Saatgut verbreitete sich dieser Baum in ganz Europa und kam 1784 in die USA. Selbst in der Dichtkunst fand er Aufnahme, als Goethe ihm ein Liebesgedicht widmete, diesem fremdartigen Asiaten, dem er im Heidelberger Schloßpark begegnet war (Buch Suleika, West-Östlicher Diwan, gedr. 1819).

Im deutschen Sprachraum gab man dem Ginkgo noch weitere Namen: Fächerblattbaum, Entenfuß- und Elefantenohrenbaum, wegen seiner Früchte Aprikosenbaum, japanischer Tempelbaum. Im angelsächsischen Sprachraum heißt er wegen seiner Ähnlichkeit mit dem Frauenhaarfarn "maiden hair tree. . In Frankreich wird er "Vierzig-Taler-Baum. genannt. Soviel kosteten die ersten fünf Exemplare, die Paris aus England importierte.

Heute gehört der Ginkgo biloba zu den am meisten gepflanzten Zierbäumen. Einzeln oder in einer Gruppe sind sie die Schmuckstücke in Parkanlagen. Seine im Frühling hellgrünen Blätter nehmen im Herbst ein dunkleres Mattgrün an, bis sie schließlich für etwa drei Wochen goldfarben erstrahlen.

Das Holz des Ginkgo ist gemasert, kleinkörnig, hell und hart und wird in China seit jeher zur Herstellung von religiösen und profanen Gegenständen verwendet. Alle die aus diesem Holz hergestellten Dinge, so sagt man, bleiben von Schädlingen verschont, wie der lebende Baum selbst. Er ist widerstandsfähig gegenüber Abgasen und anderen schädlichen Umwelteinflüssen. Deshalb gehört er auch in New York zu den am häufigsten gepflanzten Arten. Und wenn entlang der Straßen von Manhattan ein Baum stirbt, wird er durch einen Ginkgo ersetzt.

Doch kein Ginkgo auf der Welt dürfte mehr Symbolkraft besitzen als ein Baum in Japan. Als 1945 in Hiroshima und Nagasaki durch Atombomben 300.000 Menschen den Tod fanden, die gesamte Tier- und Pflanzenwelt vernichtet wurde, verbrannten auch große Ginkgobäume. Aus ihrer Asche jedoch wuchs im Frühjahr darauf ein neuer Sproß, der, sorgsam gepflegt, heute ein Baum ist und für die Japaner zum Symbol der Hoffnung wurde.

 




Einer der ältesten Gingkobäume Deutschlands steht bei der Musikhochschule bei Weimar.