Nostalgie im Mühlviertel
Die Pferdeeisenbahn
von Lissi und Fritz Sturm


Wie fortschrittlich und zukunftsweisend erscheint uns heute die "bahnbrechende" Aktion "Schiene gegen Straße" auf dem Prater in Wien im Jahre 1824! Eine 120 Klafter (228 Meter) lange Versuchsstrecke warb damals für den Bau der ersten Bahnlinie auf dem europäischen Kontinent, eine Pferdeeisenbahn von Linz nach Budweis. Sie sollte die Wasserscheide Böhmerwald überbrücken und den Schiffahrtsweg Donau mit der Moldau und damit mit der Elbe verbinden.

1832 waren dann 128,8 Kilometer Schienenweg zwischen Budweis und Linz fertiggestellt und wurden dem Verkehr übergeben. Mit einem zusätzlichen Verbindungsstück von Linz nach Gmunden am Traunsee konnte von 1836 an das wichtigste Transportgut der Donaumonarchie, das Salz, vom Salzkammergut bis nach Böhmen auf Schienen transportiert werden. Neugierig nahmen nicht wenige Reisende das Abenteuer im Fernreisezug von Linz nach Budweis und umgekehrt auf sich. Auch Kaiser Franz I. ließ sich das aufregende Erlebnis einer Besichtigungsreise nicht entgehen. Die Fahrt im speziellen Reisewagen für den Personenverkehr dauerte 14 Stunden, alle 30 Kilometer wurden die Pferde gewechselt. Im Schnitt- und Scheitelpunkt der Strecke, im 713,4 Meter hoch gelegenen Kerschbaum, trafen die Züge von Budweis und Linz aufeinander. Das Bahnhofrestaurant, das erste im kontinentalen Europa, bot den Reisenden ein ausgiebiges Mittagsmenü und eine Entspannungspause vor der Weiterfahrt.

Die Strecke war bis auf einige Ausweichen eingleisig. So konnte es schon vorkommen, daß sich zwei Wagen auf offener Strecke begegneten. Hierfür gab es eigene Verkehrsvorschriften: Personenwagen wurden vom Kutscher und den Passagieren gemeinsam aus den Schienen gehoben, um schwere Transportzüge passieren zu lassen. Ansonsten war es den Kutschern streng verboten, unterwegs anzuhalten. "Indessen sind dieselben doch angewiesen auf Verlangen des einen oder anderen Passagiers auch während der Fahrt, wenn es die Nothwendigkeit erheischt, etwas still zu halten."

Auf der Höhe ihrer Leistungsfähigkeit mit jährlich bis zu 188.000 Reisenden und 100.000 Tonnen Fracht wurde die Pferdeeisenbahn von der Technik, der Dampflokomotive, überrollt und mußte 1872 nach nur 40jährigem Einsatz eingestellt werden.

Heute, nach fast 130 Jahren, herrscht am Pferdeeisenbahnhof in Kerschbaum wieder reger Betrieb. Eine ganze Schulklasse schnattert durcheinander. Die Kinder haben sich gut auf ihren Besuch im Pferdeeisenbahn-Museum vorbereitet. Vor der liebevoll und anschaulich gestalteten Ausstellung in den ehemaligen Gewölbestallungen des Bahnhofs weiß kaum einer besser Bescheid als sie, entsprechend stolz sind die begleitenden Lehrer. Die jungen Fahrgäste dürfen dafür auch als erste einsteigen zur aufregenden Fahrt. Pferdegewieher, Hufe klappern, und die Räder rattern über die handgefertigten Holzschienen wie vor 150 Jahren.

Die erwachsenen Besucher nehmen im originalgetreu nachgebauten und handgefertigten Luxuswagen Hannibal II Platz. Kutscher und Begleitung sind zeitgemäß im Biedermeierstil gewandet. Es sind private Initiatoren, die "Freunde der Pferdeeisenbahn", die sich die Revitalisierung dieses Vorläufers der Eisenbahn zum Ziel gesetzt haben. Entsprechend eifrig und motiviert sind sie dabei, im Bahnhof ein zeitgemäßes Biedermeierstübchen zu errichten, und natürlich soll die Bahntrasse von jetzt 500 Metern bis auf drei Kilometer verlängert werden.

Sponsoren haben hier die Gelegenheit, sich mit 1500 Schilling für einen Trassenmeter auf Jahrhunderte zu verewigen. Jeder Trassenmeter - auf die Holzschienen wird Flacheisen mit handgeschmiedeten Nägeln aufgebracht - trägt den Namen des Käufers auf einem Messingschild.

Inzwischen hat die Begeisterung für das einzigartige Unternehmen das ganze Mühlviertel erfaßt. Die Mühlviertler Kultur- und Umwelt-Initiative bemüht sich um entsprechende Wanderwege und Freizeitangebote, auch die EU hat das Projekt inzwischen wohlwollend geprüft. Natürlich reagiert die Gastronomie auf den Trend, so hat der Blumauer Gasthof in Rainbach ein spezielles Pferdeeisenbahn-Menü kreiert: "Haferwolle in kräftiger Rindsuppe, Kutscher-Kotelette und Kerschbaumer Roßknödel (keine Angst, es handelt sich hier um eine süße Köstlichkeit).

Idyllische Wanderwege auf der historischen Trasse führen durch eine romantische Mühlviertel-Landschaft zu den Zeitzeugen der Pferdeeisenbahn, wie die spektakuläre Edelbachbrücke, über Viadukte und vorbei an den einsamen Bahnwärterhäuschen. Davon gab es 51, in Abständen von 2,8 Kilometern verteilt. Die Bahnwächter hatten Schäden auszubessern, für die Sicherheit des ihnen zugeteilten Streckenabschnitts zu sorgen und die Hinterlassenschaften der Pferde zu entfernen. Obwohl die Häuschen einsam inmitten von Wiesen und Wäldern standen, durften die Bahnwächter ihre Wäsche nicht in der frischen klaren Luft trocknen. Das mußte, damals natürlich ohne Wäschetrockner, im Haus geschehen. Warum, fragen Sie. Sollte das eine behördliche Schikane sein? Keineswegs, denn die Pferde hätten, durch flatternde Tücher irritiert, scheuen und mit ihrer wertvollen Fracht davonjagen können. Hätten Sies gewußt?



 

 


Heute, fast 130 Jahre nach der Einstellung des Bahnbetriebs, herrscht auf dem Pferdeeisebahn-Bahnhof in Kerschbaum im Oberen Mühlviertel wieder reger Betrieb.


Private Initiatoren haben die Pferdeeisenbahn wieder "revitalisiert", und für Alt und Jung steht der orginalgetreu nachgebaute Luxuswagen Hannibal II. zur Verfügung.


In Kerschbaum im Oberen Mühlviertel in Oberösterreich ist beim Pferdeeisenbahn-Bahnhof ein Museum eingerichtet.


In Linz an der Donau begann einst die fast 130 Kilometer lange Pferdeeisenbahn bis Budweis, die 1832 dem Verkehr übergeben wurde. Damit konnte Salz aus Österreich nach Böhmen transportiert werden.