Die Buche oder Rotbuche trägt den lateinischen Namen fagus silvatica. Er deutet darauf hin, daß sie einer unserer typischsten Waldbäume ist. Der artenreichen Pflanzenfamilie der Buchengewächse, fagaceae, zu der auch die Eiche gehört, gab man vorzugsweise ihren Namen.
Mehr noch als die Eiche dominiert die Buche in den großen Mischwäldern Mitteleuropas. Forstleute nennen sie deshalb respektvoll die "Mutter des Waldes. . Mit glattem, silbergrauem Stamm strebt die Rotbuche meist kerzengerade dem Licht entgegen und entwickelt eine mächtige Krone. Ähnlich der Eichenkrone überspannt sie wie ein Domgewölbe den Waldboden und spendet im Sommer kühlenden Schatten. Doch ihre Wuchsformen sind sehr unterschiedlich und richten sich nach Klima, Lage und Bodenbeschaffenheit. Die Rotbuche kann bis zu 40 Meter hoch und über 1000 Jahre alt werden. Im Wildwuchs des Mischwaldes duldet sie nur spärlich andere Baumarten in ihrer Nähe und bildet ausgedehnte Waldabschnitte, die sie mit prächtigen Baumgestalten allein beherrscht. Es gibt kaum einen schöneren und festlicheren Waldeindruck als den des Buchenwaldes im Frühling, wenn die jungen Blätter gerade ihr helles, frisches Grün entfaltet haben. Dann ist der Boden mit einem Blütenteppich von Buschwindröschen, Primeln, Veilchen, Scharbockskraut und anderen Frühblühern bedeckt. Grüngolden brechen die Sonnenstrahlen durch das junge Laub und werfen ihre Licht- und Schattenreflexe auf den blumenübersäten Waldboden. Dies ist auch der Wald des Rothirsches; wo es ihn noch gibt, ist er hier der König.
Die Verbreitung unserer Rotbuche reicht über ganz Europa, den Kaukasus und Kleinasien bis in den Iran. Im Norden liegt ihre Grenze etwa am 55. Breitengrad. In den Mittelgebirgen und Alpen klettert sie bis zur Baumgrenze um 1200 bis 1600 Meter ü.d.M. Bekannt sind die uralten Wetterbuchen am Schauinsland bei Freiburg, deren bizarre Stämme und Äste mit Moos und Flechten bewachsen sind. Hoch über dem Eisstrom des Großen Aletschgletschers fand ich im Aletschwald in den Walliser Alpen noch Buchenbestände in über 2000 Metern Höhe. Herrliche Buchenwälder ziehen sich über die Kammlagen der Vogesen hin. Und noch besser gedeihen sie auf den Muschelkalkböden des Juragebirges vom Genfer See bis zum Randen. Am berühmten Malerwinkel über dem Königssee tragen mächtige Rotbuchen zur Abrundung des herrlichen Landschaftsbildes bei. Im Herbst schimmert das Laub in allen Farbtönen des rötlichen Spektrums.
Die anfangs hellgrünen Buchenblätter färben sich im Laufe des Sommers dunkelgrün und werden leicht lederartig. Ihre Blattränder sind glatt und in der Jugend behaart, während die Hainbuchenblätter gezahnt und unbehaart sind. Auch der glatte Stamm unterscheidet sich deutlich von dem rissigen, spaltenreichen Stamm der wesentlich kleineren Hainbuche, die ein ganz anderer Baum ist. Die Rotbuche liebt lockeren, tiefgründigen, kalkhaltigen Lehmboden. Gegen stauende Nässe und sauren Regen reagiert sie empfindlich. Beim Sterben der Laubbäume als Folge unserer Umweltvergiftung spielt die Rotbuche leider Vorreiter; nach forstwissenschaftlichen Erhebungen sollen 66 Prozent ihrer Bestände in Mitteleuropa bereits krank sein. Sie wirft vorzeitig ihre Blätter ab, Knospen entfalten sich nicht mehr, Zweige und Äste sterben ab. Wenn die Mutter des Waldes stirbt, ist es bald auch für die anderen Baumarten zu spät. Der Buchenwald ist eine der unentbehrlichsten Lungen der Erde. Er kann seiner Sauerstoffproduktion und Luftfilterwirkung nicht mehr nachkommen, wenn wir seine Knospen und Blätter in Schmutz und Gift ersticken lassen.
Erst im Alter von 40 bis 80 Jahren wird die Buche blühreif. Und auch dann blüht sie nur alle zwei bis drei Jahre im Mai. Reichlich blüht und fruchtet sie nur alle fünf bis zehn Jahre, so daß man früher von Buchenmastjahren sprach. Früher: das war noch die Zeit unserer Großeltern, die mit der Natur in Einklang lebten. Die ölhaltigen Samen, die Bucheckern, wurden im Herbst gesammelt und zu Speiseöl ausgepreßt.
In der germanischen Mythologie konnte eine alte Buche ebenso als Gottheit verehrt werden wie eine Eiche, Eibe oder Linde. Auch das alte Sprichwort bei Gewittern: "Unter Buchen sollst du suchen, unter Eichen sollst du weichen. hat eher mystischen Ursprung als praktische Bedeutung. Offenbar brachte man der Buche mehr Vertrauen entgegen als der Eiche, obwohl diese mit ihrem meist höheren Wuchs vom Blitz eher getroffen werden kann.
Das harte Holz der Buche wird seit alters her sehr geschätzt. Man verwendet es zum Beispiel in der Möbelschreinerei, bei Parkettböden oder Eisenbahnschwellen und überall da, wo es auf Dauerhaftigkeit ankommt. In der Forstwirtschaft besinnt man sich der langsam wachsenden
Rotbuche, die fast gänzlich auf Wildvermehrung angewiesen war, erst in jüngster Zeit. Heute pflanzt man in die Lücken abgestorbener Tannen- und Fichtenbestände verstärkt Rotbuchen und andere Laubbäume, um den Teufelskreis früherer Monokulturen zu durchbrechen. Mit dem Aufforsten allein ist es jedoch nicht getan. Es bedarf eines Zeitraumes von 300 Jahren, um einen gesunden Mischwald als festgefügte Lebensgemeinschaft heranwachsen zu lassen, 300 Jahre ohne den Würgegriff des Menschen!