... fortsetzung

Die Lesebibliothek
Schon gleich zu Beginn seiner Tätigkeit in Lahr richtete Johann Heinrich Geiger eine Lesebibliothek ein. Später nannte er
seine Gründe: "Das Lesen guter und nützlicher Bücher ist beinahe zum allgemeinen Bedurfniß geworden, und unverkennbar ist auch sein Nutzen in allen Klassen; der Verstand wird aufgehellt, die Gefühle veredelt, so kann nur den Leser, nicht das Lesen ein Vorwurf tref-fen; und Lesen deßwegen als gefährlich zu verdammen wollen hieße eben so viel, als das Feuer verdammen, weil es in den Händen eines Unvorsichtigen Schaden stiften kann."

Bildung für alle Klassen fordert er also, er verteidigt das Lesen, was damals so selbstverständlich nicht war! Man erinnere sich, daß Schiller rund zwanzig Jahre zuvor Miller, den Vertreter des Kleinbürgertums in "Kabale und Liebe" die Lesesucht seiner Tochter verdammen und von den Büchern sagen läßt, sie seien "Teufelszeug aus der höllischen Pestilenzküche der Belletristen".
Stück um Stück erweitert Geiger seine Leihbibliothek. Er stellt 1800 "Hermann und Dorothea" neben den "Geist auf Frauenburg", "Moriz von Tannenhorst" neben "Herders Beförderung der Humanität" in drei Bänden, "Kotzebues neueste Schauspiele" neben "Shakespeares Schauspiele" und auch Titel wie Willibald und Hugo von Stadeck, genannt die Stürmer, eine Ritter- und Geistergeschichte durften nicht fehlen. Was uns heute der Krimi, ist in jenen Zeiten der Schauerroman. Volksaufklärung steht neben Schnulze, und ein wenig Lebenshilfe gibt es auch: 1800 gibt es einen Neuzugang: "Elisa oder das Weib, wie es sein sollte" und "über den Umgang der Weiber mit Männern."
Das Angebot wurde eifrig genutzt, davon zeugen allein schon die vielen Inserate mit der Aufforderung, ausgeliehene Bücher doch, bitteschön, wieder zurückzubringen.

Der Bürger
Geigers Aktivitäten beschränkten sich nicht auf die Vermehrung seines weltlichen Vermögens. Mit missionarischem Eifer setzte er sich für die Allgemeinheit ein. Er verbesserte die Versorgung der Armen in seiner Stadt. Nach dem Vorbild anderer Städte gründete er eine Armeninstitution, eine Spinn- und Webschule für die Armen, er plante eine Art Kranken-
kasse für Handwerksburschen, und das alles unter ganz persönlichem finanziellem und körperlichem Einsatz.
So wundert es nicht, daß er, als es wieder einmal Probleme mit der Druckerlaubnis gab, vom Rath Johann Gottlieb Aemilius Langsdorf in einer Bittschrift an die Obrigkeit als "einer der bravsten und ernsthaftesten Bürger in Lahr" bezeichnet wurde, der "durch Fleiß und Thätigkeit sich und seine zahlreiche Familie auf eine ehrbare Art zu ernähren wußte, einen tadellosen Lebenswandel und regelmäßige Haushaltung führe, gute Kinderzucht halte, und sich um das hiesige Publikum vorzüglich dadurch verdient gemacht hat, daß durch seine Veranlassung und rastloses Bestreben das Armeninstitut nicht nur zu Stande gekommen sey, sondern auch er seit dessen Errichtung als einen der fleißigsten und thätigsten Vorsteher und Mitarbeiter sich beweise, der alle Dienste unentgeltlich leiste und alles was dabey zu drucken war bisher unentgeltlich geleistet habe."
Bis 1803 teilte Geiger den Zehrpfennig an die Armen persönlich aus, er übernahm die Kassenführung, kassierte und quittierte die Spenden, setzte alle Mitteilungen der Institution - die Kassenberichte, den Dank an edle Spender - auf eigene Kosten in sein Wochenblatt. Gemeinnützige Beiträge aller Art, so teilt er seinen Lesern im Wochenblatt Ende 1803 mit, "werden mit verbindlichem Dank gratis eingerückt". In Hungerszeiten stand er an den Suppentöpfen - buchstäblich bis zum Umfallen. Während der Hungersnot von 1816/17 - immerhin war er da schon über fünfzig Jahre alt, was zu jener Zeit ein hohes Alter war - brach er zusammen und erkrankte auf den Tod. Doch "der gerechte Lenker des Himmels wollte nicht, daß dieser edle Mann sein irdisches Dasein der Unterstützung und Rettung seiner armen Mitmenschen zum Opfer fällt." So ehrte ihn der damalige Oberamtsleiter Liebenstein nach seiner Gesundung. Als Geiger durch die "Gnade Gottes zur höchsten Altersstufe des menschlichen Lebens gelangt" war und seinen 80. Geburtstag feierte, überreichte derselbe Liebenstein, nun badischer Minister, dem Jubilar die "größere goldene Verdienstmedaille" von Baden.

Der Familienvater
Auch einige Zeugnisse über das Familienleben Johann Heinrich Geigers haben sich erhalten. Neben Jugenderinnerungen von Enkeln, geben vor allem zwölf Briefe einen direkten Einblick. Der jüngste Sohn Karl hat sie 1808 dem Bruder Johann Heinrich nach Tübingen geschrieben, wo dieser eine Buchhandelslehre bei Cotta begonnen hatte.
In folgendem Brieftext von Karl Geiger lernen wir den Drucker Geiger als einen biedermeierlichen Vater kennen.
Lieber Heiner
Mit vielem Vergnügen las ich Deinen ersten Brief aus Tübingen vom 17. März; aber die Art wie ich ihn erhielt, machte mir auch viel Vergnügen; denn ich wurde mit demselben sowohl als auch mit des Vaters Ankunft (in Lahr) überrascht. Derselbe kam schon Dienstags nachmittags um halb 2 Uhr gesund und wohlbehalten mit des hiesigen Kronenwirts Fuhre, die er auf dem Hausacher Markt angetroffen hatte, hier an. Da projektierte nun die Lisette, die Vize-Mutter, eine Überraschung für mich, die mich auch wirklich sehr überraschte. Ich komme um 7 Uhr nach Hause und frage nach dem Vater; aber niemand will etwas von ihm wissen; endlich geben sie mir Deinen Brief, der mit der Post mußte gekommen sein; ich las ihn vor, und alle wunderten und freuten sich über das, was sie schon lange wußten; wie ich aber fertig bin, so - denk Dir meine Freude - schallt`s hinter dem Umhang, wo der Vater ausruhte, hervor: - "Guten Abend, Karl!" - Das Übrige denke Dir hinzu; sonst wird das Blatt voll, ehe ich recht anfange. -
Andere Briefstellen zeigen, wie besorgt der Vater um die Bildung seiner Kinder und um den liebevollen Umgang miteinander war. Die Kinder besuchten das Pädagogium, wie das Gymnasium in Lahr hieß, sie lernten also auch Latein und moderne Fremdsprachen. Sohn Karl erhielt zusätzlichen Französisch-Unterricht, als er schon als Lehrling im Kontor der Druckerei arbeitete.
Auch die vier Töchter wurden fleißig zum Lernen angehalten. Auch der musische Bereich kam nicht zu kurz. Die Söhne erhielten Geigen- und Flötenunterricht und für die körperliche Ertüchtigung sorgten Reitunterricht, lange Spaziergänge im Sommer, im Winter Schlittschuhlaufen.
Einer seiner vielen Enkel, Gustav Kaufmann, erinnerte sich noch als alter Mann am Ende des 19. Jahrhunderts gerne an den "Geiger-Großvater". In seinem Haus, im Garten und auf den Feldern habe er die glücklichsten Stunden verbracht. Er erzählt auch, wie der Großvater einmal ohne Auftrag für die Stadt für 8 000 Gulden Wiesen gekauft habe. Da die Verwaltung diesen Kauf nicht genehmigte, soll er sich entschlossen haben, sich aus allen öffentlichen Ämtern zurückzuziehen und unter Zukauf von weiterem Landbesitz selbst Landwirtschaft zu betreiben. Er hielt Kühe und Schweine, versorgte die Familien seiner Kinder mit Milch und Speck. "Er war ein wahrer Patriarch", schreibt der Enkel. "Ein unerschütterliches Gottvertrauen war seine Signatur, dabei war er außerordentlich mild in seinem Urteil über andere."
Als Johann Heinrich Geiger 1839 die Goldene Hochzeit feierte, lebten von seinen sechs Kindern noch drei. Der Tag wurde feierlich begangen. Die Kinder mit ihren Ehemännern und -frauen und 24 von insgesamt 27 Enkelkindern brachten am frühen Morgen ihre Geschenke in das festlich geschmückte Haus. Ein Transparent mit Blütenkränzen, Engeln und Bibelsprüchen war über der Tür angebracht, und an den Fenstern hingen Girlanden von Immortellen. Die zwei ältesten Enkelinnen traten an das Bett der Großeltern und trugen selbstverfaßte Gedichte vor. Dann ging es in den Garten, wo ein Triumphbogen mit der Überschrift "Herzlich willkommen" errichtet worden war. Als das Jubelpaar ihn betrat, sprach die älteste Enkeltochter das "Lied von der Goldenen Hochzeit" des Dichters Albert Knapp.
Johann Heinrich Geiger war sein Leben lang gottesfürchtig und gegen Ende seines Lebens fast fanatisch fromm. Darüber legen Texte aus seiner Feder im Hinkenden Boten und im Wochenblatt ein lebendiges Zeugnis ab. "Der liebe Gott segnete mich über Verdienst", schreibt er als 77jähriger an seinen Sohn. "Ihm, dem liebevollen Vater im Himmel habe ich alles zu verdanken."
Im hohen Alter druckte und verteilte er pietistische Schriften und forderte seine Mitbürger auf, den sinnlich-irdisch gesinnten Menschen zu ertöten, um im Land des Friedens ewige, nie versiegende Freude und Seligkeit zu genießen. Doch ein überliefertes Zitat belegt, daß ihn seine Frömmigkeit nicht gehindert hat, an diesseitigen Freuden teilzunehmen. Eine gute Predigt, so soll er gesagt haben, komme ihm vor wie ein geistiges Schöpple, gerade wie wenn man einmal ins Wirtshaus gehe, um sich leiblich zu erquicken.
Ein harter Schlag traf ihn, als sein Sohn Karl im Neuenburger See ertrank. Im Hinkenden Boten auf das Jahr 1814 ließ er seine Leser an seinem Schmerz teilhaben.
"Ich hatte einen Sohn, der gut und brav war und mir viele Freude machte, und mich hoffen ließ, daß er mich im Alter trösten und unterstützen werde. Und er ging am 2. Januar des vorigen Jahres nach Neuchâtel, um sich Kenntnisse zu sammeln im Handlungsfache und in Sprachen. Da trieb es ihn am 7. Juli abends um 6 Uhr zu baden im See. Ein Freund nur begleitete ihn. Er ging in den See, noch ehe der Freund völlig entkleidet war, er glitschte aus auf einem Felsen und der Todesengel zog ihn hinab, und er ertrank; alle Mittel, ihn ins Leben zu rufen, waren vergeblich. - Seine Freunde und Landsleute wanden Kränze um seine Leiche, und legten ihn ins Grab.
Darüber bin ich nun sehr betrübt, und mein Herz ist voll Trauer und kann es noch nicht fassen, warum der Jüngling von 20 Jahren, dessen Herz so voll Verlangen war, sich zum guten Menschen und nützlichen Bürger zu bilden, so frühe und auf solche Weise seinen Tod fand. Da dachte ich in meiner Betrübnis, ich will es meinen Lesern erzählen und dadurch mein Herz erleichtern."
Erst als er 77 Jahre alt war, übertrug er seinem Sohn Johann Heinrich den "Geschäftsbetrieb".
Nach seinem Tode am 7. Februar 1849 ließen seine Hinterbliebenen folgende Anzeige in das Wochenblatt einrücken:
"Unser heimgegangener Vater, Großvater und Urgroßvater, Johann Heinrich Geiger, hat auf seinem Todtenbette den Wunsch geäußert, wenn er doch noch Abschied nehmen könnte. Indem wir dies in seinem Namen auf diesem Wege tun, sagen wir denselben zugleich herzlichen Dank für die durch die zahlreiche Begleitung zu seiner Ruhestätte dargelegte Teilnahme."
Ein Motiv seines Handelns findet sich immer wieder in den Veröffentlichungen, die aus Geigers Druckerpresse kommen. Er will Vorbild sein für die Enkel, für spätere Generationen, für die Menschen späterer Jahrhunderte: "Mit Segen werden unsre Nachkommen Eure Namen nennen, Euch nachahmen und wohltätig sein, wie Ihr auch waret."

Einen neuen Anlauf der Zeitungsgründung unternahm Geiger 1796. Das zunächst nur doppelseitige "Wochenblatt" entwickelte sich im Laufe des 19. Jahrhunderts zu dem, was heute noch als "Lahrer Zeitung" täglich erscheint.

Ein wagemutiger Unternehmer war Johann Heinrich Geiger, der als gelernter Buchbinder in Lahr eine Druckerei und einen Verlag aufbaute.

Der erste Versuch Johann Heinrich Geigers 1795 eine Zeitung zu verlegen, mißlang. "Klio", wie sie nach der Muse der Geschichtsschreibung genannt wurde, erschien nur ein halbes Jahr.

Ein Scherenschnitt zeigt den alten Verleger und Kalendermann Johann Heinrich Geiger.

Johann Heinrich Geiger übertrug einige Jahre vor seinem Tod einen Teil der Geschäfte an seinen Sohn. Das Schriftstück dazu beendete er mit dem Satz: "Gott begleite aus Gnade diese Uebereinkunft mit seinem Segen, Amen! Joh. Heinrich Geiger, am 13. Febr.1841."

Am 3. März 1839 feierten Johann Heinrich und Anna Maria Geiger Goldene Hochzeit, zu der insgesamt 24 von 27 Enkeln anwesend waren.






Ein Scherenschnitt zeigt den alten Verleger und Kalendermann Johann Heinrich Geiger.


Johann Heinrich Geiger übertrug einige Jahre vor seinem Tod einen Teil der Geschäfte an seinen Sohn. Das Schriftstück dazu beendete er mit dem Satz: „Gott begleite aus Gnade diese Uebereinkunft mit seinem Segen, Amen! Joh. Heinrich Geiger, am 13. Febr.1841.“


Am 3. März 1839 feierten Johann Heinrich und Anna Maria Geiger Goldene Hochzeit, zu der insgesamt 24 von 27 Enkeln anwesend waren.