Die Wiederkehr der Hortensie
Von Rudolf Schiffer

Die strauchartige Gattung der Hortensie, Hydranges opuloides, Familie Steinbrechgewächse, Saxifragaceae, ist wildwachsend mit rund 40 bekannten Arten über Asien und Nordamerika verbreitet. Wegen ihres großen Durstes nennt man sie auch Wasserstrauch. Der Name Hortensie entstand nach dem lateinischen Hortus = Garten und der altrömischen Bezeichnung Hortensia = Königin des Gartens. Heute erlebt diese wahre Königin unter den Blütenpflanzen eine Wiedergeburt, nachdem sie jahrzehntelang in Gärten und Parks vernachlässigt worden war.

In Japan und China wurden Hortensien schon vor vielen Jahrhunderten kultiviert, fanden aber von dort eigenartigerweise nicht den Weg nach Europa. Als erster Eu-ropäer entdeckte sie der französische Arzt und Botaniker P. Commerson um 1771 auf den Maskarenen, einer Inselgruppe im Indischen Ozean östlich von Madagaskar mit den Hauptinseln Réunion, Mauritius und Rodriguez. Doch erst sein schwe-discher Kollege C. P. Thunberg brachte sie 1784 nach Europa, wo sie allmählich als Hydrangea hortensis, Gartenhortensie, eine gebührende Beachtung fand. Nachdem man die Blaufärbung an rot und rosa blühenden Pflanzen durch eisenhaltige Moorerde 1796 in England und 1801 in Frankreich entdeckt hatte, stieg die Begeisterung über diese neue Gartenschönheit noch mehr.

Im Laufe des 19. Jahrhunderts eroberte sich die Hortensie alle Schloß-, Kloster- und Pfarrhausgärten und fehlte bald auch in keinem bürgerlichen Garten mehr. Mit ihren dekorativen Blättern und großen, kugeligen Blütendolden auf langen, festen Stengeln und mit der Gleichmäßigkeit ihres Wuchses paßte sie so recht in die strenge Ordnung der Biedermeierzeit. Auch als Topf- und Schalenpflanze wurde die Hortensie beliebt, besonders für kirchliche Feierlichkeiten, für Hochzeiten, Taufen und ähnliche Feste.

Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts gab es in Frankreich schon viele schöne Sor-ten, die teils heute noch erhältlich sind. In Deutschland folgten wenig später ebenso wertvolle Hybridsorten, deren Zahl ständig wuchs. Mit dem Aufkommen der Naturgärten, die alle strengeren Gartenanlagen ablösten, kam die Hortensie jedoch seit den 60er Jahren etwas aus der Mode und verlor auch als Topfpflanze an Beliebtheit. Mit der vermehrten Hortensienkultur waren außerdem Krankheiten und Schädlinge wie Mehltau, Rote Spinne, Älchen und Thrips häufiger in Erscheinung getreten und hatten den Gärtnern vorübergehend die Lust an der Aufzucht verdorben. Da die Hortensie aber in großen Kreisen der Bevölkerung nie wirklich in Vergessenheit geriet, entdeckten auch die Gärtner sie als Topf- und Gartenpflanze neu, zumal man Schädlinge jetzt besser unter Kontrolle hat, größtenteils mit sanften biologischen Bekämpfungsmethoden.

Heute erlebt die Hortensie weltweit ein geradezu stürmisches Comeback, und man scheut sich nicht mehr, sie auch in Naturgärten, lockeren Staudenbeeten, an Gartenteiche, vor Gehölzgruppen, in japanische Gärten, vor Wiesenränder oder als Einfassung aller Art zu pflanzen. Plötzlich ist die Hortensie auf so vielfältige Weise verwendbar, wie man es früher nicht für möglich gehalten hätte, als sie nur als vornehmer, dauerhafter Schmuck in eng begrenzte Zwänge eingepaßt wurde.

Die altbewährte Kultur der Hortensien wird heute wieder in manchen traditionsbewußten und vielseitigen Gartenbaubetrieben praktiziert, weil sie preiswert und umweltschonend, wenn auch etwas arbeitsintensiv ist. Die Vermehrung erfolgt ausschließlich durch Stecklinge. Eine Aussaat wird nur bei Züchtungen vorgenommen. Man hält sich Mutterpflanzen, die nach dem Schneiden der Stecklinge im Freien ausgepflanzt werden. Im Herbst werden sie wieder eingetopft und zwar tief, um im Frühjahr möglichst viele Grundtriebe zu erhalten. Im Vermehrungskasten mit einem Sand-Torf-Gemisch und bei einer Temperatur von 18 bis 20 Grad Celsius sind die Stecklinge nach drei Wochen gut durchgewurzelt.

Häufiges Gießen ist schon bei den Jungpflanzen, die dem Namen Wasserstrauch alle Ehre machen, erforderlich. Nun werden sie eingetopft und allmählich abgehärtet. Nach dem Durchtreiben stützt man sie zur Erzielung buschiger Pflanzen. Nach zweimaligem Umtopfen kommen die jungen Hortensien Mitte Juni in die endgültigen Töpfe. Dazu verwendet man eine mittelschwere Gartenerde, der ein Drittel Moorerde zugesetzt wird. Den Sommer über brauchen sie besonders viel Wasser. Ein wöchentlicher Dungguß, abwechselnd mit Jauche und Volldünger, bringt kräftige Pflanzen hervor, die Ende August bis Mitte September jeden Trieb mit einer Blütenknospe abschließen. Nun können sie trockener gehalten werden.

Zum Überwintern legt man die Töpfe in tiefen Kästen schräg und eng aneinander. Je eine Schicht wird mit Erde abgedeckt und eine neue Schicht Töpfe aufgelegt. So können wir drei Schichten Töpfe unterbringen. Die oberste Erdschicht schützt man bei stärkerem Frost mit zusätzlichen Laubüberwürfen. Je nach Bedarf werden die Pflanzen von Mitte Dezember an ins Gewächshaus geholt. Bei entsprechender Wärme, gutem Gießen und wöchentlichen Dunggüssen entwickeln sie sich rasch zu kräftigen Verkaufspflanzen. Vom Einbringen ins Gewächshaus bis zur Blüte vergeht in der Regel ein Vierteljahr.

Rote oder rosa Hortensien, die eine Blaufärbung annehmen sollen, pflanzt man in einen sauren Boden mit PH-Wert 4,5. Eine Zugabe von einem Prozent Ammoniakalaun zur Kulturerde und späteres, wöchentliches Gießen mit einer zwei- bis dreiprozentigen Ammoniakalaunlösung fördern ebenfalls die Blaufärbung. Noch in den 50er Jahren gehörte diese Art der Hortensienkultur fast zu jeder deutschen Gärtnerei. Heute scheint es bequemer zu sein, verkaufsfertige Pflanzen aus holländischen Großbetrieben zu beziehen. Für viele deutsche Gärtner mag es aber eine Herausforderung sein, den gegenwärtigen Trend zu nutzen und wieder selbst an die Aufzucht heranzugehen. Es soll ja auch noch einige Betriebe geben, die in der Traditions-

pflege nie nachgelassen haben und altbewährte Hortensiensorten aus eigener Zucht vorweisen können. Hier nur einige Beispiele von frühen Sorten: Ami Pasquier, dunkelrosa; Holstein mit großen, hell-

rosa Blüten und gedrungenem Wuchs:

"La France, rosa, niedrig; Niedersachsen, hoch, hellrosa, gut zum Blaufärben; Regula, eine gute, weiße Sorte; Westfalen, feurigrot, sowie späte Sorten: Baardses Favorit, rosa; Hamburg, rot; La Marne, karminrot und starkwüchsig.

Mit Hydrangea petiolaris gibt es auch eine rankende Hortensie, die man leider nur selten sieht. Sie besitzt Luftwurzeln wie Efeu und klettert an Felsen, Mauern, Pergolen und ähnlichem hoch. Die großen, weißen Doldenblüten erscheinen im Juli. Eine elegantere Berankung von Hauswänden kann man sich kaum vorstellen. Die rankende Hortensie gedeiht, wie alle anderen Arten, in der Sonne und im Halbschatten gleich gut, verlangt aber geschützte, warme Lagen und genügend Wasserzufuhr. Hydrangea petiolaris wäre es also wert, bei Gärtnern und ihren Kunden neu entdeckt zu werden. Gute Kletterpflanzen als sauerstoffspendende und zierende Hauswandverkleidungen, vor allem im städtischen Bereich, sind immer aktuell.

Hobbygärtner, die ein kleines Gewächshaus besitzen, können es auch selbst mit der Hortensienkultur versuchen und sich ihre eigenen Pflanzen für Töpfe, Kübel, Balkon und Garten heranziehen. Es ist gar nicht so schwer, und die Freude wächst mit dem Erfolg.





Mit großen Blütendolden und dekorativen Blättern zählt die Hortensie zu den schönsten unter den dauerhaften Blütenpflanzen im Garten.