Versuchte Erbschleicherei
Es ging 1774 um 300 Gulden
von Ursula Huggle

Im 18. Jahrhundert lebte in Freiburg ein Metzgermeister namens Johann Adam Horber. Was er auf dem Sterbebett erlebte und wie Mutter Kirche ihm noch Stunden vor seinem Tod das Geld aus der Tasche ziehen wollte, soll hier erzählt werden.

Johann Adam hatte ein für damalige Verhältnisse "normales" Leben hinter sich, obwohl er viermal verheiratet war. Er entstammte einer alten Freiburger Metzgerfamilie, die seit dem 14. Jahrhundert in der Stadt lebte. Sein Vater Paul war Rindfleischmetzger gewesen, und er und sein Bruder hatten ebenfalls dieses Handwerk erlernt. Im Alter von 22 Jahren trat Johann Adam 1710 in die Zunft ein und suchte nun nach einer Möglichkeit, sich selbständig zu machen. Als Zweitgeborener hatte er kein Anrecht auf den väterlichen Betrieb, so daß er - nolens volens - noch im selben Jahr die nicht mehr ganz junge und kürzlich verwitwete Maria Magdalena Vögelin heiratete. Sie brachte außer den acht Kindern immerhin das Anrecht auf die Metzgerbank ihres verstorbenen Ehemanns in die Ehe ein. In den Zeiten des Zunftregimes war nämlich die Zahl der Metzgerbänke, also die Zahl der selbständigen Metzger, streng reglementiert, und nur wenn eine Bank frei wurde, konnte man sich darauf bewerben.

Als seine Frau bereits nach drei Ehejahren starb, heiratete Johann Adam kurz darauf, nach knapp drei Monaten, die Jungfrau Johanna Masch. Diese Ehe dauerte immerhin neun Jahre, bis auch die zweite Ehefrau das Zeitliche segnete. Zwei Söhne hinterließ sie ihm, von denen einer - ebenfalls der Familientradition entsprechend - ins damals noch bestehende Kloster Tennenbach ging und Zisterziensermönch wurde. Johann Adam hielt es nicht lange als Witwer aus: bereits nach zehn Wochen trat er ein drittes Mal vor den Traualtar mit der jungen Anna Elisabeth Schwayer, die nun 38 Jahre lang seinen Haushalt führte. Als sie 1760 starb, war er zwar 72 Jahre alt, hatte aber keineswegs vor, seinen Lebensabend allein zu verbringen. Ordnungsgemäß einigte er sich daher mit der Familie seiner verstorbenen Frau wegen des Erbes. Der in Tennenbach lebende Sohn Gregorius erhielt seinen Anteil am elterlichen Erbe und war damit ausbezahlt.

Nun ging Johann Adam erneut auf Freiersfüßen und schritt bald darauf mit Maria Theresia Doblerin, seiner vierten Ehefrau, zum Traualtar. 13 Jahre lebten die beiden in voller Harmonie zusammen - Johann Adam konnte nicht genug Gutes über sie sagen. Sie hatte bei ihm ein angenehmes Leben, denn er war nicht unvermögend, besaß Felder, Reben und Matten. Sein Keller war bestens gefüllt mit altem und neuem Wein, Branntwein und Kirschwasser, Getreide, Nüssen, gedörrtem Obst, Erdäpfeln, ausgelassener Butter - ein ganzer Zentner! -, Speck, Salz und anderem mehr. Bedienstete waren ebenfalls reichlich vorhanden, denn neben dem Fuhrknecht und dem Hirtenbuben beschäftigte er in der Metzig einen Metzgerknecht. Im Haus nahm eine Hausmagd seiner Frau die groben Arbeiten ab.

So allmählich plagten ihn nun aber diverse Alterskrankheiten, immer öfter mußte er den Wundarzt an sein Krankenbett holen. Für einen guten Katholiken wurde es höchste Zeit, den Nachlaß zu ordnen und ein Testament aufzusetzen. Es gab - dem religiösen Gedankengut seiner Zeit entsprechend - keine schlimmere Vorstellung für ihn, als unvorbereitet den Weg ins Jenseits antreten zu müssen. Daher saßen am Abend des 10. Mai 1772 ein Notar und mehrere Freunde bei ihm im hinteren Zimmer seines Hauses in der Münzgasse, um das Testament aufzusetzen und zu bezeugen. Er unterschrieb es eigenhändig und siegelte es mit seinem Wappen, auf dem ein Ochsenkopf mit seinen Initialen eingeprägt war.

Am wichtigsten war ihm sein Seelenheil, für welches die ehrwürdigen Väter Kapuziner, Franziskaner, Augustiner und Dominikaner sowie sein Sohn in Tennenbach heilige Messen lesen sollten. Er vermachte den einzelnen Orden dafür jeweils 20 Gulden. Nach weiteren Legaten setzte er seinen Neffen und seine "vielgeliebte eheliche Hausfrau für ihm sorgfältigst geleistete gute Abwartung (Pflege)" als Haupterben ein. Sein Sohn, der Mönch, der bereits ausbezahlt worden war, wurde nicht mehr bedacht.

Noch mußte Johann Adam diese Welt nicht verlassen, erst zweieinhalb Jahre später, im gesegneten Alter von 86 Jahren, schlug am 13. November 1774 sein letztes Stündlein. Im Sterbezimmer versammelte sich nun "das ganze Haus", seine vierte Ehefrau nebst deren Bruder sowie alle drei bei ihm in Brot und Arbeit stehenden Knechte und die Magd. Man ließ noch schnell einen Priester von der nahe gelegenen Franziskanerkirche rufen: Pater Cleophas eilte mit der letzten Ölung herbei. Was sich nun im Sterbezimmer abspielte, erfahren wir aus dem eine Woche später vorgenommenen Zeugenverhör. Es war nämlich wegen eines auf dem Sterbebett gemachten Legats zu Differenzen mit Pater Cleophas gekommen, der seiner Herkunft aus einem Bettelorden alle "Ehre" machte. Nur daß er sich nicht mit Betteln begnügte, sondern mit zweifelhaften Methoden eine Erbschaft für seinen Orden erschleichen wollte. Aber hören wir, was die Witwe Maria Theresia Horber bei der Befragung zu Protokoll gab (gekürzt):

Es nehme sie um des Himmelswillen wunder, daß der Pater Cleophas ein Legatum für die Franziskaner Kirchen nachfordere, da doch ihr verstorbener Ehemann nie an so etwas gedacht habe. Acht Tage vor seinem Absterben habe er ihr eröffnet, daß er wegen seinem Herrn Sohn, dem Pater Gregorius in Tennenbach, der nicht im Testament stehe, noch ein Anliegen habe. Sie habe darauf erwidert, daß er doch seinen eigenen Sohn nicht vergessen solle. Er habe daraufhin geantwortet: "Ja, ich will noch was auf Tennenbach vermachen." An besagtem Tage vor seinem Absterben, am 13. November gegen 10 Uhr, sei Pater Cleophas bei dem Kranken erschienen, um ihm die Beichte abzunehmen. Eine Weile danach habe der Beichtvater von dem Pater Gregorius zu reden angefangen, ob er nicht auch noch diesem was hinterlassen wolle? Ob er denn diesen, da er so viele Tausend Gulden zurücklasse, ganz vergessen wolle? Die Antwort sei hierauf etwas unwillig gewesen: "Nein! Katzen händs Geld gfressen." (Der Sterbende war offensichtlich der Ansicht, daß sein Geld niemand anderen etwas angehe.) Endlich habe sich ihr Mann geäußert: "Ja, 300 Gulden will ich ihm noch vermachen." Auf diese Worte habe Pater Cleophas voll Eifer ausgeschrien: "Hört ihrs, hört ihrs", sich mehrmalen auf die Brust schlagend, "in unser Kloster, in unser Kloster!" Sämtliche anwesenden Dienstleute hätten ihm aber widersprochen: Tennenbach sei damit gemeint. Pater Cleophas habe sich sofort zu dem Kranken geneigt und, sich wieder auf die Brust klopfend, gesagt: "Gelt Vaterle, in unser Kirch, in unser Kirch", worauf der Kranke den Kopf schüttelte: "Nein! Hinderi, hinderi", auf Tennenbach meinend, erwidert habe. Noch immer habe der Beichtvater auf eine andere Erklärung gedrungen, aber ihr Mann habe mit Unwillen erklärt, daß es genug sei, und sie habe den Pater Cleophas gebeten, ihn doch in Ruhe zu lassen.

Sämtliche um das Sterbebett Versammelten wurden ebenfalls zu dieser Angelegenheit befragt: Theresias Bruder, der Fuhrknecht, der Hirtenbub, der Metzgerknecht und die Dienstmagd. Alle gaben an, daß ihr verstorbener Herr "hinderi, hinderi!" gesagt und damit Tennenbach gemeint habe. Pater Cleophas hatte keine Chance, Geld für seine Kirche einzuheimsen - allzu eindeutig waren die Aussagen der Zeugen. Adam Horber lebte in einer Zeit, als die Menschen noch ihren baldigen Tod vorausahnten und würdig im Kreise des ganzen Hauses Abschied von allen nahmen - wenn, ja wenn nicht ein habgieriger Pater das letzte Stündlein des Sterbenden vergällte.


 



Johann Adam entstammte einer Freiburger Metzgerfamilie und hatte das Handwerk eines Rindfleischmetzgers erlernt. Unser Bild zeigt, wie die Rinder damals vor dem Schlachten betäubt wurden.


"Katzen händs Geld gfressen", antwortete unwillig der Sterbende.


Das "ganze Haus", also Familie und Dienstboten, versammelte sich um das Sterbebett.