Das langgestreckte, im oberen Teil windungsreiche, enge, zerklüftete, im unteren Teil breit sich ausdehnende Renchtal zählt zweifellos zu den schönsten Schwarzwaldtälern. Das Flüßchen Rench entspringt am Kniebis (971 Meter) bei Freudenstadt und schlägt zunächst eine südwestliche Richtung durch Bad Griesbach und Bad Peterstal ein, dann wendet es sich nach Nordwesten durch Oppenau, Lautenbach und Oberkirch, erreicht bei Renchen die Oberrheinebene und mündet schließlich nördlich von Straßburg in den Rhein.
Die in der jüngsten Eiszeit breit ausgeschliffene, trichterförmige Mündung des Renchtales ist wie die Vorbergzone mit fruchtbarem Lößlehm bedeckt. Dieser und das milde Klima ließen seit alters her Gemüse, Obst und Weinreben gedeihen. Im Reizklima des dicht bewaldeten oberen Renchtales sprudeln Mineralquellen aus dem Granit- und Gneisgestein rund um die genannten Badeorte. Steinzeitliche Jäger und Sammler, Kelten, Römer und Germanen folgten schon dem Lauf der Rench bei der Durchquerung des nördlichen Schwarzwaldes und hinterließen ihre Spuren. Heute ist das Tal durch eine Bahnlinie und durch die Bundesstraße 28, die an der Alexanderschanze die Schwarzwaldhochstraße erreicht, gut erschlossen. Das Städtchen Oberkirch als regionales Zentrum gelangte schon im Mittelalter zur Blüte. Ausgangspunkt war der Nußbacher Hof, den Kaiser Heinrich II. 1007 dem Bistum Bamberg als Lehen vergab. Es entstand eine neue Kirchensiedlung, die nach der Nußbacher Mutterkirche als . Oberkirch. bezeichnet wurde. Bereits im Jahre 1225 wurde Oberkirch als selbständige Pfarrgemeinde urkundlich erwähnt.
Aus dem Besitz der Markgrafen von Baden und der Fürstenberger kam es 1303 durch Kauf an die Bischöfe von Straßburg und erhielt 1326 durch Friedrich den Schönen von Habsburg Stadtrecht. Die Bischöfe von Straßburg umgaben Oberkirch mit einer Stadt
mauer und erhoben es zum regionalen Verwaltungssitz ihres Herrschaftsbereichs, der bis 1803 bestand. Mißwirtschaft in der bischöflichen Verwaltung, Verpfändungen und Kriege blieben dem Städtchen nicht erspart. Im Bauernkrieg von 1525 trieben 8000 erboste Bauern ihr Unwesen. Eine qualvolle Zeit mußten die Bürger im Dreißigjährigen Krieg durchstehen. 1689 zogen die Truppen Ludwigs XIV. von Frankreich sengend und brennend durch das rechtsrheinische Gebiet. Städte wie Offenburg und Oberkirch sanken in Schutt und Asche und verloren fast ihre gesamte mittelalterliche Bausubstanz. In der großherzoglich-badischen Zeit erlebte Oberkirch eine Phase reger Bautätigkeit und neuer Blüte.
Der allmählich einsetzende Fremdenverkehr brachte neue Impulse ins Tal. In der Badischen Revolution von 1848/49 schloß man sich im demokratisch denkenden Oberkirch willig dem Traum von einer Deutschen Republik an. Über 30 Bürgern wurde dafür nach dem Scheitern der Revolution der Prozeß gemacht. Auch der Erste und der Zweite Weltkrieg hinterließen ihre Spuren, ehe es seit den fünfziger Jahren neuem Wohlstand entgegenging. Heute zeigt sich das Städtchen mit seinen Eingemeindungen aus der Umgebung als leistungsfähiges
Kultur-, Schul- und Einkaufszentrum des Renchtales mit beachtlicher Wirt-
schaftskraft und freundlicher Ausstrahlung für den Fremdenverkehr. Die malerische Innenstadt mit ihren lauschigen Winkeln, die weithin bekannte, gute Gastronomie, der Stadtgarten, die Spiel- und Sportanlagen, ein riesiges Netz schöner Wanderwege und viele kulturelle Veranstaltungen sind Anziehungspunkte für Naherholung und Ferien rund ums Jahr.
Als Wahrzeichen und Zeugin der Geschichte thront hoch über der Stadt
zwischen Wald und Reben die gut erhaltene Ruine der Schauenburg. Unterhalb lädt eine gemütliche Gaststätte mit schöner Freiterrasse die Besucher zu Speis und Trank ein. Man kann hinauf wandern oder auch mit dem Auto hinauffahren, die weite Aussicht genießen und sich in die Geschichte vertiefen. Herzog Berthold II. von Zähringen ließ die Schauenburg (der Name leitet sich vom Althochdeutschen . scouwon. und Mittelhochdeutschen . schouwen. ab) in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts errichten. Im Laufe des Mittelalters wurde sie unter wechselnden Herrschaften zu einer stattlichen Wohnburg erweitert. Erste Zerstörungen erfolgten im Dreißigjährigen Krieg, doch blieben die Gebäude und Anlagen bis ins 18. Jahrhundert hinein bewohnt und bewirtschaftet, wie aus alten Amtsblättern hervorgeht. Danach verfiel sie zur Ruine. Die Talbewohner nutzten sie als Steinbruch, bis der Freiherr Emil von Schauenburg in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dafür sorgte, daß sie konserviert und unter Denkmalschutz gestellt wurde. Von der einstigen Burg Fürsteneck, die südlich der Rench auf einem Bergsporn über dem Ausgang des Bottener Tales stand, sind nur geringe Mauerreste übrig. Sie wurde 1263 erstmals urkundlich erwähnt und verfiel seit ihrer Zerstörung im Dreißigjährigen Krieg. Das Gelände befindet sich heute in Privatbesitz.
Unverbrüchlich sind Oberkirch und das Renchtal mit dem bedeutendsten deutschen Erzähler im 17. Jahrhundert, Hans Jakob Christoph von Grimmelshausen, verbunden, der hier den größten Teil seines Lebens und Schaffens verbrachte. Nicht alle Daten seines Lebensweges sind geschichtlich gesichert, seine Zeiten am Oberrhein jedoch ziemlich lückenlos nachweisbar. Er wurde um 1620/21 in Gelnhausen bei Frankfurt/M. geboren, verlor früh seine Eltern und geriet schon
als Zwölfjähriger in die Wirren und Greuel des Dreißigjährigen Krieges in Westfalen, am Oberrhein und an der Donau, zog mit dem Tross der Heere durch die ausgeplünderten Lande. Von 1639 bis 1647 war er als Garnisonsschreiber in Offenburg tätig.
Nach seiner Entlassung aus dem Militärdienst kehrte er 1649 dorthin zurück und heiratete Catharina Henninger, die Tochter eines wohlhabenden Offiziers aus dem Elsaß, mit der er neun bis zehn Kinder bekam. Sein ehemaliger Kommandant aus dem Krieg, Hans Reinhard von Schauenburg, stellte
ihn in Oberkirch-Gaisbach als Gutsverwalter ein. Auch die noch intakte Burg, Ländereien, Wiesen und Wälder gehörten zum Schauenburgischen Besitz. Grimmelshausen erwarb in Gaisbach Grund-
stücke, auf denen er zwei Häuser baute.
Eines wurde das . Gasthaus zum Silbernen Stern. , in dem er sich nach Ausscheiden aus den Verwaltungsdiensten als Gastwirt betätigte. Dabei wurde er tatkräftig von seiner Frau und seinen Töchtern unterstützt, so daß er noch mehr Zeit für seine geliebte Fabulierkunst erübrigen konnte. 1667 nahm er das Amt eines Schultheißen in Renchen an, das er bis zu seinem Tod im August 1676 ausübte.
1668 erschien sein Hauptwerk, . Der Abentheuerliche Simplicissimus Teutsch. , in dem er wohl auch viele eigene Erlebnisse verarbeitet hatte. Mit ihm hinterläßt uns Grimmelshausen das anschaulichste Bild eines Zeitzeugen, das wir vom Dreißigjährigen Krieg besitzen. Von 1670 bis 1674 erschienen eine ganze Anzahl
weiterer Bücher und Schriften, darunter . Der
ewigwährende Kalender. , . Die Erzbetrügerin und Landstörtzerin Courage. , . Dietwald und Amelinde. , . Der erste Bärenhäuter. , . Die Gaukeltasche. , . Des wunderbarlichen Vogelnests. I. und II. Teil, . Der Teutsche Michel. , das . Galgenmännlein. und der . Bartkrieg. . Sie alle sind auch heute noch interessant, wenn auch nicht ganz leicht in einem mundartlich gefärbten Deutsch zu lesen. Lange vergessen, sind Grimmelshausens Werke erst in der Zeit der Romantik um 1837 wiederentdeckt und für die Literaturgeschichte gerettet worden. Seitdem gilt er als einer der phantasiereichsten Fabulierer und kraftvollsten Erzähler der deutschen Literatur. Das Heimatmuseum in Oberkirch enthält neben regionalen Sammlungen eine beachtliche Grimmelshausen-Gedenkstätte, in der die Erstausgaben seiner Werke und andere Dokumente aus dem Leben und Schaffen des Barockdichters zu sehen sind.