Mosaik aus Natur und Geschichte
Mecklenburg - Land der tausend Seen
von Lissi und Fritz Sturm

Das Seenlabyrinth Mecklenburgs - unendlich groß, paradiesisch einsam - ist ein Dorado für den Naturliebhaber. Ein buntes Mosaik aus Seen und Wäldern, Mooren mit goldgelben Sumpfdotterblumen, Rapsfeldern, auch einmal eine Windmühle dazwischen. Bunte Tupfen in dem Puzzle sind die kleinen Städtchen mit alter Geschichte, wie Sternberg mit der frühgotischen Backsteinkirche aus dem 14. Jahrhundert, Plau mit der mittelalterlichen Wallanlage, Alt-Schwerin mit seinem agrar-historischen Museum und endlich auch das bezaubernde Mirow, das an der Schleuse zum Müritzsee liegt. Nicht zu vergessen die tausendjährigen Eichen von Ivenack, die 250jährige Eibe von Jabel, die wilden Wisente auf dem Damerower Werder und die herrlichen Alleen.

Noch zeigt im Mai das Blätterdach der Winterlinden auf der Straße von Waren nach Groß Gievitz Lücken. Eine ältere Frau aus Torgelow schaut uns beim Fotografieren zu und lächelt: . Kommen Sie im Sommer wieder, dann fahren Sie hier unter dem dichten Laubwerk wie durch einen Tunnel.

Moor, Urwald, Heide und Dünenfelder, insgesamt 320 Quadratkilometer, umfaßt der Nationalpark mit rund 700 Pflanzen- und 240 Vogelarten. Störche, Kraniche, Seeadler und Kormorane lassen sich von besonderen Aussichtsplattformen aus beobachten. Fernglas nicht vergessen!

Rund 117 Seen liegen im Parkgebiet, und keiner gleicht dem anderen. 65 Prozent des Parks sind von Wald bedeckt: Erlenbruch, in dem der Kranich brütet, Kiefern- und dichte Buchenwälder mit reichem Wildbestand und Urwald, in dem die Natur schon seit Jahrzehnten Wachstum und Sterben allein bestimmt.

360 Kilometer Wander- und Radwege führen durch ein Geflecht von ganz unterschiedlichen natürlichen Lebensräumen. Ein Stück dem See entlang erreichen wir nach einigen hundert Metern auf dem Müritz-Radweg die Bootsanlegestelle . Waldschänke. , die vor allem vom Fährdienst zum Müritz-Hotel am Westufer benützt wird. Kurz vor dem Parkeingang schlängelt sich der Radweg zwischen knorrigen Baumriesen in den Wald hinein. Ein schmaler Pfad führt zu einem Beobachtungsstand. Zehn Besucher haben hier schon Position bezogen, ihre Feldstecher folgen dem ausgestreckten Arm eines Rangers. . Sehen Sie, dort oben kreist ein Seeadler. Seine Spannweite kann bis zu zweieinhalb Metern betragen. Er nistet nur in unzugänglichem Gebiet auf hohen alten Bäumen. Anders der Fischadler. Sie haben sicher schon einen Fischadlerhorst gesehen?. Erstauntes Verneinen. . Dann achten Sie auf Hochspannungsmasten, die Fischadler der Müritz haben ihre Vorliebe für die Technik entdeckt.. Zwei Graugänse rauschen mit wütendem Geschrei über unsere Köpfe hinweg.

Wir setzen den Weg allein fort. Froschkonzert aus vielen Kehlen empfängt uns an einem verschwiegenen kleinen See. Als wir auf den Steg über die schwarzen Moortümpel treten, schweigen die Sänger beleidigt. Das Trommeln eines Spechts tönt aus dem Wald. Es ist Mai, die Bäume zeigen ihr zartestes Grün, ein Kuckuck ruft. Zeit zum Träumen.

Zur anspruchsvollen Umrundung des Müritzsees mit dem Fahrrad starten wir von Waren auf einer Asphaltstraße bis zum Schwarzenhof, dann aber strampeln wir auf Natur- und Kieswegen, und das geht in die Waden. Selbst Mountainbiker müssen bisweilen auf den sandigen Abschnitten schieben. Über Boek erreichen wir Vipperow, ein durch und durch mecklenburgisches Dörfchen. Hier könnte

Bismarcks oft zitierter Ausspruch entstanden sein: . In Mecklenburg geschieht alles hundert Jahre später.. Wir holpern über die alten Kopfsteinpflaster - das einzige Geräusch in der ländlichen Stille. In Zielow kommen wir der Müritz wieder ganz nahe, und von Röbel an leiten uns Wege mit unterschiedlichen Belägen am Westufer nach Waren.

725 Jahre alt ist die Stadt mit ihrer wechselhaften Geschichte. Das Natur-

historische Landesmuseum erzählt nicht nur davon, sondern gibt in seinem Süßwasseraquarium auch einen Einblick in die heimische Unterwasserwelt. Auf dem Weg zum Wisentgehege auf dem Damerower Werder können wir Fischern bei ihrer Arbeit zusehen. . Außer Aal, Barsch und Hecht schwimmen bei uns auch Karpfen, Maräne, Zander und viele andere. Wir sind dabei, den ehemals heimischen Stör wieder einzusetzen. Nicht wegen dem Kaviar. , lacht der Fischer, . bei den vielen Sportanglern würde er ohnehin nicht alt genug werden. Uns ist es wichtig, den Artenreichtum zu erhalten. Das ist unser Kapital.. Um den Malchiner See, dort wo sich die Deutsche Alleenstraße plötzlich wellt und über Hügel klettert, liegt die Mecklenburgische Schweiz. Gletscherzungen haben hier in der Eiszeit Stauchmoränen aufgeschoben, manche bis zu 100 Metern hoch. Am Fuße eines dieser Hügel liegt Burg Schlitz, die größte klassizistische Schloßanlage Mecklenburgs. Sie wurde 1992 an . Jägermeister. verkauft. Die Renovierung der Anlage steht kurz vor der Vollendung. Dann soll die Burg ein Museum und ein Hotel beherbergen. Vorbei an einem Jugendstil-Nymphenbrunnen wandern wir durch einen einzigartigen englischen Landschaftspark. Vom anschließenden 97 Meter hohen Röthelberg bietet sich eine großartige Aussicht auf den Malchiner See und die Endmoränenhügel mit den zum Teil schon 600 Jahre alten Eichenhainen.

Es lohnt sich, eine Wanderung in den Ort Basedow zu unternehmen. Die Dorfkirche aus dem 13. Jahrhundert steht auf der UNESCO-Denkmalsliste, die Orgel aus dem 18. Jahrhundert ist eine Rarität. Malchin hat dagegen nur wenige Altertümer erhalten können. Drei Tage vor Kriegsende versank die mittelalterliche Stadt in Schutt und Asche.Eine Moränenlandschaft hat die Eiszeit auch in der Feldberger Seenplatte geschaffen. Bewaldete Steilhänge und Kuppen bestimmen das Bild. Zwischen dem romantischen Schmalen Luzin und dem Dreetz-See liegt Carwitz, ein Fischerdorf, das im 13. Jahrhundert gegründet wurde.

Die Rheinsberger Seen sind von Röbel auf einer . Abenteuerfahrt. durch romantische Wasserwege auch mit dem Schiff zu erreichen. Rheinsberg, das Kurt Tucholsky mit seinem  Tagebuch für Verliebte über Nacht berühmt gemacht hat, besitzt heute noch den gleichen Charme.

Über das grobe Kopfsteinpflaster ist auch schon Theodor Fontane gegangen. Das berühmte Barockschloß am Grienerick-See wurde von G. W. von Knobelsdorff für den damaligen Kronprinzen Friedrich, der später der . Große. genannt werden sollte, gebaut. Vier Jahre residierte und studierte er hier. In illustrer Gesellschaft namhafter Geistesgrößen erwarb er sich die Grundlagen seiner humanistischen Bildung. Der König nannte später die Rheinsberger Zeit seine glücklichste. Als der Kronprinz seine . Studentenbude. aufgeben mußte, übernahm sie sein Bruder Heinrich. Er gestaltete den Schloßpark nach seinem Geschmack mit Grotten, Tempelchen und Pavillons. Als er 76jährig starb, wurde er unter der Pyramide im Schloßpark beigesetzt. Er soll zuvor seinem Vertrauten gesagt haben: . Stellt mich in die Pyramide so, daß ich nach dem Schloß hinüberblicke, und sagts auch den Leuten. Das wird manchen in heilsamer Furcht halten.

Sanft plätschern die Wellen ans Ufer, ein Schwan segelt vor dem leichten Wind. Violinenklänge schwingen aus einem Seitenpavillon durch den Park. - Eine Zeitreise in die Vergangenheit.



 



In der Mecklenburger Seenplatte gibt es viele Anglerparadiese


Röbel am Plauer See entstand Anfang des 13. Jahrhunderts bei einer Burg. Der Plauer See ist rund 15 Kilometer lang und 39 Quadratkilometer groß.


Die berühmte Eibe von Jebel: Sie steht neben der Kirche und ihr Alter wird auf 250 Jahre geschätzt. Fritz Reuter hat in jungen Jahren einige Zeit im Pfarrhaus gewohnt.


Im berühmten Barockschloß am Grinericksee in Rheinsberg verbrachte Kronprinz Friedrich, später Friedrich der Große, glückliche Jugendjahre. Bekannt ist das Schloß auch als Schauplatz von Kurt Tucholskys Erzählung . Rheinsberg- ein Bilderbuch für Verliebte. .


Eine Fähre überquert den Schmalen Luzin.


In einigen Gebieten des Nationalparks in Mecklenburg bestimmt seit Jahrzehnten allein die Natur, was wächst und stirbt.